Wir bauen einen Damm

Autor*in
Fehr, Daniel
ISBN
978-3-314-10628-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Di Giorgio, Mariachiara
Seitenanzahl
32
Verlag
Nord-Süd
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
17,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Mia, Leni und der kleine Bruder Noah haben sich ein tolles Spiel ausgedacht. Sie schleppen dicke Wackersteine zum Seeufer, denn sie wollen dort einen Damm bauen, einen ganz großen. Vielleicht können die Kinder damit ein Königsschiff anlocken? Oder ein See-Ungeheuer, einen Dinosaurier? Während der Damm wächst und wächst, entlädt sich die schier unerschöpfliche Phantasie der Kinder in einer immer abenteuerlicheren Geschichte. Doch was ist mit Noah?

Beurteilungstext

Die Geschichte selbst ist relativ einfach erzählt: Mia, Leni und Noah bauen unweit von ihrem Zuhause am Rand eines Sees einen Damm. Eine Konfliktsituation ergibt sich daraus, dass die Kinder durchaus unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie das Spielgeschehen weitergehen soll. Während Mia recht dominant agiert und den kleinen Noah, der gerne angeln möchte, zur Nebenfigur degradiert, hilft Leni begeistert mit, den Damm immer größer zu bauen. Daniel Fehr lässt die beiden eine abenteuerliche Geschichte mit dem Königsschiff, den Gefolgsleuten des Königs und den Piraten spielen. Noah ist außen vor. Als er seinen Stein aus dem Damm herauszieht, bricht die phantasievolle Geschichte zusammen.

Die Illustratorin Mariachiara Di Giorgio nutzt die Doppelseiten des Bilderbuchs geschickt als Bühne für die Geschichte. Die Kinder, die unbeobachtet am Seeufer Steine schleppen, agieren wie Schauspieler auf einem Bühnenpanorama. Eingerahmt von dunklen Bäumen fällt aus der Mitte des Bildes gleißendes Licht auf die Szenerie am See. Mia und Leni tragen dicke Steine für den Dammbau herbei. Noah schleppt mühsam auch einen Stein zum Damm.

Je höher der Damm wächst, desto turbulenter entwickelt sich die Phantasie der Kinder. Auf den folgenden Doppelseiten zeigt die Illustratorin, wie sich – zunächst schemenhaft gezeichnet, dann immer deutlicher – Schiffe dem Damm nähern. Das prächtige Segelschiff des Königs legt an, seine Männer helfen beim Dammbau. Mit einer alten Schaluppe segeln Piraten heran, die mit Feuer das Königsschiff entern. Die realistisch gezeichneten Phantasiefiguren treten wie selbstverständlich in die phantastische Atmosphäre der Geschichte ein. Faszinierend, wie Autor und Illustratorin es verstehen, Phantasie und Realität im Spiel der Kinder zu vermischen.

Während der Damm immer höher wird, hat Noah ganz andere Ideen: auf dem Fischerboot mitfahren, einen großen Fisch fangen, den Dinosaurier im See damit füttern … Auf den weiteren Seiten ist Noah verschwunden. Mariachiara Di Giorgio stellt für Noah ein Alter Ego in einem der Männer auf - einer, der ein Fischernetz knüpft. Es ist eine unbedeutende Nebenrolle für den kleinen Noah, der auf der nächsten Doppelseite wieder auftritt und übellaunig seinen Stein aus dem Damm zurückfordert. Es lohnt sich, die Illustrationen genau zu betrachten: Scheinbare Nebensächlichkeiten vermitteln Gefühle und Atmosphäre des Bilderbuchs. Im Schlussbild hat Mariachiara Di Giorgio noch einen Gag untergebracht. Als die Kinder schließlich trocken und warm im Wohnzimmer sitzen, fällt der Blick der LeserInnen auf das Interieur: das Bild einer Seeschlacht, eine Fisch-Skulptur, eine prachtvolle Krone. Und – spaziert draußen im Garten nicht ein Dinosaurier?
In dieser reizvoll gestalteten Bilderbuchgeschichte um einen Kinderalltag lässt sich unschwer erkennen, wie ein Konflikt entsteht. Auch die kleinen LeserInnen aus Kita oder Grundschule werden ähnliche Situationen aus ihrem Alltag kennen. Nicht nur das Spielverhalten von Mia, Leni und Noah bietet vielfältige Diskussionsanregungen, sondern auch die Darstellung der Phantasiefiguren. Die Rezipienten können entdecken, dass man auch in den Bildern „lesen“ kann, was den emotionalen Ausdruck und die Phantasie der Protagonisten betrifft. Die Geschichte spricht ausgrenzende Spielerfahrungen von Kindern an; Daniel Fehr verzichtet bewusst darauf, mit pädagogischen Erkenntnissen den Konflikt aufzulösen, diesen Part überlässt er geschickt den Überlegungen der Leser- bzw. Hörerschaft.

Anmerkung

Neben Lesen, Vorlesen, Hören und Betrachten kann das Bilderbuch auch im Gesprächskreis von Kita und/oder Grundschule eingesetzt werden, um über die Thematik dieser Geschichte zu reflektieren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Irmgard Lothwesen; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 12.03.2023