Wie ich Hitler Beine machte

Autor*in
Schenk, Dieter
ISBN
978-3-570-30255-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
288
Verlag
Bertelsmann
Gattung
Ort
München
Jahr
2003
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
6,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Angelehnt an eine reale Biografie wird die Lebens- und Leidensgeschichte einer Danziger Polin von der Vorkriegszeit bis heute in Ich-Form nacherzählt. Einer behüteten Jugend folgen Ausweisung nach Polen, Rechtlosigkeit und ständige Lebensgefahr, bis sie sich dem Widerstand anschließt und im Untergrund gegen die deutschen Besatzer kämpft. Ihr Kampf endet dabei nicht mit dem Krieg, da die Unterdrückung unter dem polnischen Kommunismus weitergeht, wo sie im Rahmen der “Solidarnosc”-Bewegung weiter Widerstand leistet.

Beurteilungstext

Dieses Buch verlangt einen langen Atem, doch die Mühe wird belohnt: Nach einer recht zähen Einleitung entwickelt sich erst ganz allmählich eine gleichzeitig sehr spannende und sehr informative Geschichte zum weniger bekannten Schicksal der polnischen Bevölkerung während der Naziherrschaft im allgemeinen und hier speziell der polnischen Minderheit Danzigs.
Diese langsame Entwicklung ist für “action”-gewohnte jugendliche Leser sicher zunächst ungewohnt, zeigt aber gerade in ihrer scheinbaren Idylle sehr anschaulich die damals ja nicht schlagartig in Erscheinung tretenden nationalsozialistischen Einflüsse, die über Unverständnis, Entfremdung, Nachbarschaftsstreitigkeiten erst allmählich zu Verachtung, Feindschaft und blindem Hass eskalierten. Geschickt werden in den Verlauf der Erzählung nicht nur die möglichen persönlichen Erlebnisse der Hauptperson Ewa, sondern auch die erst historisch bekannt gewordenen eher “technischen” Details von Verfolgung, Massenmord und Vernichtungsmaschinerie eingewoben, was den Informationsgehalt erhöht, aber auch die Systematik hinter den Einzelschicksalen schmerzhaft deutlich macht.
Obwohl die Fülle an Details die Rahmenhandlung eines Vortrages in einem deutschen Gymnasium eher unglaubwürdig erscheinen lässt, wird in eben dieser Vielzahl besonders anschaulich, wie die schleichende Vergiftung des zwischenmenschlichen Klimas zerstörerisch auf Freundschaften und sogar Familienverbände wirkte, wie über Jahre hinweg eigentlich grundlose Hoffnungen auf Einsicht und Besserung der Verhältnisse die Oberhand behielten, bis es in vielen Fällen zur friedlichen Veränderung oder zum Entkommen zu spät war. Und selbst einzelne positive Ausnahmen auf der deutschen Seite können nichts an dem Eindruck ändern, dass oft allzu willfährig und gehorsam selbst brutalste menschenverachtende Befehle widerspruchslos in Taten verwandelt wurden. Die Diskussion über diesen Punkt wird noch im Schlußsatz des Buches aufgegriffen, wo die Eltern eines fragenden Schülers mit Leerformeln über ihre eigene Verstrickung in diese dunkle Zeit hinwegreden.
Ob die die Lebensgeschichte Ewas abschließenden Ausflüge in die polnische Nachkriegszeit nur der Vollständigkeit halber beigefügt sind oder einen eigenen Zweck verfolgen, ist schwer zu beurteilen. Mir scheint die relative Gleichsetzung von kommunistischem und Naziterror etwas gefährlich, ist so eine Nivellierung doch Wasser auf die Mühlen rechtsradikaler Kreise, die gerne eine “Unrechtsverrechnung” vornehmen wollen. Auch ist der Intensitätsverlust des knappen Schlusskapitels der eigenen Betroffenheit des Lesers eher abträglich und anders als die späte Versöhnung Ewas mit “den Deutschen” wie ein Fremdkörper in einem ansonsten sich schließenden Kreis wirksam. Doch lassen sich bei evtl. unterrichtlicher Verwendung des Buches solche Kleinigkeiten durch entsprechende pädagogische Begleitung leicht korrigieren und schmälern die Verdienste des Buches um eine Aufklärung weniger bekannter Winkel der Historie keineswegs.

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Diese Rezension wurde verfasst von bh-rp.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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