Weil.

Autor*in
Muser, Martin
ISBN
978-3-551-58493-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
128
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
13,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Fünf Jugendliche, ein Wochenende – und eine Dummheit. Ein Roman über die Gewalt und das Ausgeliefertsein, wenn keine Antworten mehr funktionieren.

Beurteilungstext

Auf der Fahrt ins Wochenendhaus der Eltern zur Vorbereitung auf das Ethik-Abitur nehmen die fünf Jugendlichen Knut, Esther, Selin, Philipp und Manuel den Anhalter Liam mit. Als der Philipp und Selin beiläufig rassistisch und sexistisch beleidigt, lassen sie ihn an der nächsten Raststätte einfach stehen. Seine Tasche, die noch im Auto liegt, werfen sie in den Straßengraben. Auch wenn die keine wertvollen Dinge enthalten hatte, erscheint Liam mit seinen beiden Brüdern im Ferienhaus der Jugendlichen und die drei Brüder entpuppen sich als gewalttätige Sadisten. Gemeinsam bedrohen sie die Jugendlichen, zwingen ihnen absurde Wiedergutmachungsversuche auf und bedrohen sie schließlich an Leib und Leben. Das Ganze wird eingebettet in eine ethische Reflexion über den Sinn von Moral und Strafe und die Legitimation von Gewalt. Henk, Liams Bruder, erweist sich als eloquenter Denker, der die Lernsituation der Jugendlichen aufnimmt und vermeintlich nutzt, um ihnen ihrer Verderbtheit vor Augen zu führen. Vordergründig wird die Handlung dabei zu einer gesellschaftlichen Kritik an der Arroganz der bildungsbürgerlichen Elite, die ihre eigenen moralischen Werte selbstreferentiell kultiviert, dabei aber zunehmend den Bezug zur Realität von einfachen Menschen zu verlieren scheint. Gleichzeitig entlarven gerade Henks vermeintliche Argumentationen und Ableitungen eindrücklich, wie absurd der Versuch der Erklärung von Gewalt ist und wie die ethische Diskussion im Angesicht der Gewalt zur reinen Farce verkommt. Am Ende steht die einfache Begründung der Gewalt in sich. „Weil.“ Ist der Grund, mehr gibt es nicht zu sagen. Auch wenn die Geschichte für Knut, Esther, Selin, Philipp und Manuel erst einmal glimpflich ausgeht, haben sie doch alle den Glauben daran verloren, dass die Welt durch Aufgeklärtheit besser werden könnte. Der Nachbar, der das Geschehen lediglich beobachtet, ohne sich einzumischen, steht sinnbildlich für eine Gesellschaft, die zunehmend in Teilnahmslosigkeit und Selbstmitleid versinkt – und das dürfte der eigentliche Ansatz einer Sozialkritik in diesem Buch sein.
Irritierend ist die Lektüre auch wegen der Erzählperspektiven. Anfangs zwischen den kurzen Kapiteln je wechselnd, nimmt die Erzählung zunehmend schneller wechselnd und oft auch gar nicht mehr nachvollziehbar ganz verschiedene Blickrichtungen auf das Geschehen ein. So werden auch die Täter fokalisiert und es gibt kaum eine erzählerische Distanz zu einem chaotischen Geschehen, das auch sprachlich Konfusion erzeugt. Das macht eine Distanznahme zum Buch auch für die Lesenden schwer und die Lektüre zur Zumutung, was der Handlung gekonnt entspricht. Insofern ein geeigneter Schachzug. Das Buch ist sehr zu empfehlen!

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Michael Ritter; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 13.12.2023