Was macht die Fledermaus bei Tag?
- Autor*in
- Badescu, Ramona
- ISBN
- 978-3-407-75547-6
- Übersetzer*in
- Scheffel, Tobias
- Ori. Sprache
- Französisch
- Illustrator*in
- Jackowski, Amelie
- Seitenanzahl
- 52
- Verlag
- –
- Gattung
- Buch (gebunden)Erzählung/Roman
- Ort
- Weinheim
- Jahr
- 2020
- Preis
- 14,95 €
- Bewertung
Teaser
Die Fledermaus ist gerade umgezogen und durch ihre neue Nachbarin Eichhörnchen kommt sie auf die Idee, einmal am Tag die Welt zu erkunden. Das ist natürlich nicht einfach für ein Nachttier – alles blendet und ist in bunte Farbigkeit getaucht. Zudem wundern sich die anderen Tiere. Aber die Fledermaus ist klug und phantasievoll und so begeistert sie am Ende die Tiere mit einer ganz besonderen Vorführung.
Beurteilungstext
Diese ungewöhnliche Geschichte von einer etwas ganz und gar Neues ausprobierenden Fledermaus entfaltet ihre Poesie und ihren Zauber erst nach einer Weile. Die Fledermaus wollte unbedingt eigenständig und selbständig leben und musste so ziemlich viel Pollen und Insekten sparen, um den unangenehmen Makler zu bezahlen. Nun ist sie in ihre nicht perfekte Wohnung gezogen im Baum, zwei Etagen über dem Eichhörnchen, trinkt heißen Hibiskustee und grübelt über ihre Entscheidung nach. Bald entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden, sie helfen sich aus, lachen viel miteinander, spielen Schere, Stein, Papier und nähen gemeinsam eine bunte Patchworkdecke. Fledermaus ist glücklich, denn das Nähen ist was Neues und mit Eichhörnchen möchte sie gerne alles lernen. Und denkt: „Von der anderen Seite betrachtet, sind die Dinge nicht ganz dieselben.“ (S. 16) Fledermaus will sich nun die Farbigkeit des Tages anschauen und ist zunächst geblendet von all den Wirbeln, dem Licht, den Farben – nicht ein, nicht drei, vielleicht sogar fünf oder zehn Blaus entdeckt sie. „Wie großartig!“ Fledermaus erobert sich die Farbigkeit des Tages – sie erkundet den Markt, versteckt unter der Patchworkdecke und dicker Sonnenbrille. Den Markthändlern bleibt vor Staunen der Mund offen stehen bei diesem Anblick. Beladen mit Schätzen wie Erdbeeren, Radieschen, Möhren kehrt sie in ihr Zuhause zurück. Jetzt will sie diese Naturwunder und die Farbenpracht zeichnen – und scheitert auf ganzer Linie. Ist wütend und traurig, bis Eichhörnchen vorbeikommt und sie einlädt zu sich. Schließlich entsteht mit der Möhre doch noch etwas – Orange in vielen Farbnuancen auf dem Blatt, von Jackowsky treffend ins Bild gesetzt. Und Fledermaus erkennt – so trifft das Bild genau das, was sie empfindet und gesehen hat im Licht des Tages. Nun erklärt sie Eichhörnchen: „Ich mach da so Zeugs, das nichts nutzt und das man nicht essen kann. – Mit Gemüse.“ (S. 36) Ist das nicht eine großartige Definition von Kunst? fragt sich die Rezensentin an dieser Stelle. Ja, und nicht nur das! Denn Fledermaus bezaubert die erwartungsvolle Abendgesellschaft am Ende nach intensiven Vorbereitungen mit einem Feuerwerk aus Farben und Licht, das sie aus vielen alltäglichen Gegenständen gezaubert hat: Ein blasser Mond zittert an der Decke und Fledermaus flüstert: „Das Schwarz ist ein herzförmiger Felsen, der die Hände mit Kohle füllt.“ – Das Blau ist ein unsicheres Licht, das euch bei jedem Schritt einhüllt.“ – „Und rosa ist das Rosa des Zarten und Zärtlichen, das einem durch die Finger gleitet.“ (S. 47/48) Und dann genießen alle Gäste die Stille und die Variationen des Lichts. Und die philosophische Fledermaus verkündet: Dieser Raum ist eine Utopie – ein Raum den es nicht gibt. Und auch wenn man wenig oder nichts versteht, fühlt man sich schwerlos oder voller Sehnsucht.
Die Geschichte und die Illustrationen versuchen nicht, etwas zu erklären, sondern lassen Fragen ebenso offen wie unvollendete Gedanken und verwirrende Gefühle der tierischen Figuren, die nah bei uns Menschen sind. Und so bleibt manches Rätsel auch ungelöst – wie im echten Leben.