Warum die Welt nicht fair ist

Autor*in
Harari, Yuval Noah
ISBN
978-3-423-76475-9
Übersetzer*in
Niehaus, Birgit
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Zaplana Ruiz, Ricard
Seitenanzahl
204
Verlag
dtv
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches Material
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Warum gibt es Ungleichheit zwischen den Menschen – warum sind viele ihr Leben lang arm und wenige andere unfassbar reich? Warum üben einzelne Personen oder kleine Gruppen Macht über sehr viele andere aus? Wie ist es gekommen, dass die meisten Menschen der 8 Milliarden auf der Erde heute so leben, wie sie es tun; warum ziehen wir nicht mehr jagend und Pflanzen sammelnd über den Globus? Der bekannte Historiker Harari erklärt, wie menschliche Gesellschaften zu dem geworden sind, was sie heute sind.

Beurteilungstext

Der israelische Historiker Yuval Noah Harari, bekannt für seine Weltgeschichten für Erwachsene („Eine kurze Geschichte der Menschheit“, „Homo Deus“), zeichnet in seinem Kinder- und Jugendbuch die Entwicklung der menschlichen Spezies nach. Dabei fokussiert er auf die titelgebende Frage, warum es Ungleichheit, Unterdrückung, Kriege und Benachteiligung gibt. Im ersten Abschnitt zeichnet er nach, welchen umwälzenden Einschnitt in der Entwicklungsgeschichte der Übergang von Kulturen der Jäger und Sammler zu denen der Ackerbauern und Viehzüchter darstellte, welche Folgen die Sesshaftwerdung des überwiegenden Teils der Menschheit hatte. Er stellt dar, wie das Kultivieren von Nutzpflanzen und das Domestizieren von Tieren das Leben grundlegend und dauerhaft „auf den Kopf stellte“. Dabei erscheint dieser Prozess in seiner Darlegung nicht als „Erfolgsgeschichte“, sondern als einer, der dem Menschen zwar scheinbar mehr Nahrungssicherheit und die Chance auf mehr Nachkommen bot, sie aber auch in unerhörtem Maße abhängig machte – vom Ackerland, vom Wetter, von Krankheiten und nicht zuletzt von den unscheinbaren Pflanzen, die sie nun kultivierten und verzehrten: „Die Pflanzen hatten die Menschen unter ihrer Kontrolle.“ (S. 87) Darauf aufbauend erläutert der Autor, wie sich immer komplexere menschlichen Gemeinschaften bis hin zu Staatswesen herausbildeten. Er beschreibt den Prozess der Arbeitsteilung, die Ausbildung von Eigentum, das Entstehen von Abhängigkeitsverhältnissen. Besonders intensiv wird das Entstehen der Verwaltung beleuchtet, oder - mit den Worten des Autors – der mächtigen Bürokratie und welche Rolle die Erfindung der Schrift dabei spielte. Ebenso zentral in der Darstellung ist das Aufzeigen der Macht von „Geschichten“, also von Narrativen religiöser, philosophischer, ideologischer Art, die die immer stärker werdende Unterteilung der Menschheit in gesellschaftliche Schichten (angeblich) legitimierten und festschrieben. Im Abschlusskapitel erklärt Harari aber auch, wie sich diese Narrative verändern lassen, wie sich Menschen für Gleichheit und allgemeine Rechte einsetzten und einsetzen und er fordert die Lesenden dazu auf, alle Arten von Geschichten auf ihre Humanität hin zu überprüfen.
Hararis Tätigkeit als Wissenschaftsschriftsteller zeichnet sich in all seinen Werken – seien sie für Jugendliche oder für Erwachsene verfasst – vor allem durch zwei Besonderheiten aus. Zum einen ist er ein begnadeter Erzähler, dessen historische Darstellungen fesseln und mitreißen. Zum anderen hat er einen ausgeprägt aufklärerischen Impuls, der auch umstrittene Thesen und Aussagen nicht scheut. Die zentrale These, dass Landwirtschaft und Sesshaftwerdung keine zwangsläufig erfolgten Schritte einer permanenten „Höherentwicklung“, sondern vielmehr eine Art „Sündenfall“ darstellten, liegt schon seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ zugrunde und ist unter Historikern keineswegs Konsens. Gerade dieses Streitbare macht aber auch den Reiz seiner Bücher, so auch dieses Werkes aus. Harari gelingt es, in sehr einfachen, dabei aber niemals simplifizierenden Sätzen sehr komplexe Zusammenhänge gut nachvollziehbar für junge Leserinnen und Leser darzustellen. Dabei praktiziert er einen Stil, der häufig auf eine direkte Ansprache der Lesenden setzt und quasi dialogisch gestaltet ist und er stützt sich häufig auf eingängige Beispiele. Der rote Faden, die Ausarbeitung der Ausgangsfrage des Titels bleibt dabei stets gut sichtbar. Das Buch ist in vier große Abschnitte unterteilt, in denen es kurze Kapitel von 1-3 Seiten gibt. Hervorzuheben ist die liebevolle Gestaltung des Bandes – angefangen vom Einband und den Innenseiten bis hin zu den wunderbaren Illustrationen von Ricard Zaplana Ruiz, die präzise, farbenfroh, mitunter auch witzig den Text begleiten.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 13.11.2023