Tonspur - Wie ich die welt von Gestern verließ

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Teaser

Im August 1989 entscheidet sich der DDR-Bürger Olaf Hintze, im Ungarnurlaub über die grüne Grenze nach Österreich zu fliehen. Nicht ahnend, dass das Verlassen der DDR in wenigen Wochen legal möglich sein wird. Erzählt wird seine Lebensgeschichte: Sein Leben in der DDR, seine Flucht und die ersten Jahre im Westen.

Beurteilungstext

Was die beiden Autoren geschaffen haben, ist ein großartiges Dokument für die Zeit- und Mentalitätsgeschichte. Zum einen spiegelt es die allgemeinen Unzulänglichkeiten des untergegangenen ostdeutschen Staates wider, die dazu führten, dass ihm viele seiner Bürger innerlich und letztlich auch äußerlich den Rücken kehrten. Zum anderen ist es die Lebensgeschichte eines Mannes, der sich schon früh nicht mit der Repression im Arbeiter-und-Bauern-Staat abfinden konnte und für sich eigene Wege suchte.
Die achronologische Darstellung beginnt mit dem 12. August 1989 in Bulgarien, als der 25-jährige Olaf Hintze seine Freunde im Urlaub verlässt und nach Ungarn aufbricht. Sein Entschluss, über die Grenze nach Österreich zu fliehen, steht zu dem Zeitpunkt bereits fest. Rückblickend wird immer wieder von seiner Kindheit und Jugend erzählt, von seinen Problemen sich in das Kollektiv einzubringen und seinem frühen Rückzug ins Private. In die elektronischen Basteleien, aus denen später sein Beruf werden sollte, und in die Liebe zu Musik und Literatur, die den Hunger nach Kultur in der spießbürgerlichen und kulturpolitisch durchorganisierten DDR zeigen. Die Nähe zur Literatur spiegelt sich neben der stetigen Präsenz im Leben Hintzes auch in der Biographie konkret durch die zahlreichen Zitate aus Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“, Hintzes Lieblingsbuch. Neben diesen Zitaten werden die erzählenden Passagen durch Äußerungen Hintzes illustriert, was der Biographie teilweise den Charakter einer Reportage verleiht. Auch der Bedeutung der Musik wird Rechnung getragen, indem nicht nur Songzeilen in den Text integriert werden, sondern die Kapitelüberschriften Songtitel sind. Des Weiteren sind sporadisch persönliche Fotos Hintzes abgebildet. Die Biographie endet allerdings nicht mit dem Ankommen Hintzes in der BR Deutschland, sondern berichtet darüber hinausgehend von seinem „wirklichen“ Ankommen im Westen, der ersten Arbeit, der Konfrontation mit dem Zusammenbruch der DDR für jemanden, der noch kurz zuvor sein Leben bei der Flucht riskierte, und immer wieder von der regelrechten Gier nach Literatur, Musik, Theater, Kultur. Sie endet damit, dass Hintze sein Abitur nachmacht und ein Studium beginnt. So mitreißend und beeindruckend die Biographie insgesamt ist, ist allerdings zu kritisieren, dass der Teil nach 1990 mit seinem recht großen Umfang teilweise zu ausführlich ist und im Vergleich zu dem Leben in der DDR einen etwas großen Raum einnimmt – auch wenn die Eindrücke im Westen bunter und das Leben spannender war.
Abgerundet wird die Biographie mit Schlussworten der beiden Verfasser, einem Literaturverzeichnis zu belletristischer sowie Sachliteratur zum Leben in der DDR sowie einer Zeittafel, die mit der Schließung der DDR-Grenzen 1961 einsetzt und mit dem Tag der deutschen Einheit 1990 endet. Gelungen ist, dass dabei auf der rechten Buchseite offizielle Ereignisse angeführt sind, auf der linken persönliche aus dem Leben Olaf Hintzes.