Teach me
- Autor*in
- Nelson, R.A.
- ISBN
- 978-3-473-35262-3
- Übersetzer*in
- Ganslandt, Katarina
- Ori. Sprache
- Amerikanisch
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 351
- Verlag
- Ravensburger
- Gattung
- –
- Ort
- Ravensburg
- Jahr
- 2006
- Lesealter
- 14-15 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Klassenlektüre
- Preis
- 14,95 €
- Bewertung
Teaser
Die siebzehnjährige Carolina, Nine genannt, ist in ihren Lehrer verliebt. Sie beginnen eine heimliche Beziehung - bis Mr. Mann diese abrupt beendet und Nines Lebens nicht mehr so sein kann, wie es war.
Beurteilungstext
"Willkommen in meinem Kopf." So begrüßt Nine den Leser. In einem gewaltigen Tempo wird man in ihre Geschichte und somit direkt in das Gefühlschaos der Schülerin hinein katapultiert. Dabei bedient sich die Erzählerin einer äußerst lebendigen Sprache, deren Intensität die Fülle an Gefühlen widerspiegelt, die Nines Beziehung zu ihrem Lehrer, Mr. Mann, begleiten. So intensiv man sich auch in die Handlung hineinfallen lassen kann, die sprachliche Gestaltung der Gedankengänge der Ich-Erzählerin ist an einigen Stellen doch arg konstruiert und an Formulierungen überfrachtet, mit denen sich eher wenige Heranwachsende identifizieren können.
"Wie bin ich hierher gekommen?" (32) fragt sich Nine und dreht im Geist die Zeit zurück auf den Anfang, als Mr. Mann den Englischunterricht in ihrer Klasse übernahm. "Er dreht sich zu uns um und die Mädchen schnappen hörbar nach Luft. Seine Augen sind eiswürfelblau, seine dunklen Haare hängen ihm Johnny-Depp-mäßig ins Gesicht. Wie alt er wohl ist? Fünfundzwanzig? Achtundzwanzig?" (36) Hier paart sich Nines offensichtliche Frühreife und wache Intelligenz mit einer mädchenhaften Naivität, denn natürlich ist der Lehrer wesentlich älter. Das hält Nine allerdings nicht davon ab, sich in Mr. Mann zu verlieben und schließlich eine Beziehung mit ihm anzufangen. Doch nach der Abschlussprüfung beendet der Lehrer diese plötzlich, und Nine ist am Boden zerstört, als sie auch noch seine Hochzeitsanzeige liest. Aber Nines Überlebenswille siegt und sie wählt statt dessen ein anderes Ziel: Rache.
Die Gedichte von Emily Dickinson werden für Nine im Laufe ihrer Beziehung immer wichtiger und dienen in Form intertextueller Bezüge als Verstärker ihrer Stimmungen. Die Lyrik und die damit verbundene Dichterin wird fast zu einer Art Gesprächspartnerin für die unglücklich Verliebte. So zerreißt sie den von Mr. Mann geliebten Gedichtband in zwei Hälften, bringt es aber nicht über sich, die Seiten selbst zu zerstören, sondern bleibt an ein paar Zeilen hängen, die zu ihr zu sprechen scheinen. "Ich lege das Buch ehrfürchtig an seinen Platz zurück. Emily kann nichts dafür. Ich hätte mir denken können, dass sie die Antwort hat." (154)
Nine ist sehr selbstbewusst, zielsicher geht sie ihren Weg und weiß genau, was sie will. Sie bemüht sich aktiv um die Gunst ihres Lehrers und macht ihn nach der Trennung durch verschiedene verrückte Aktionen immer wieder auf sich aufmerksam. Im Laufe des Romans wird deutlich, dass Nine eine innere Stärke besitzt, die sie ihrem Lehrer überlegen macht, da dessen Wesen und seine Handlungen stark von dem Zwang beeinflusst sind, sich zu verstellen und in eine Person zu verwandeln, die sich - im Gegensatz zu seinem wahren Inneren - weiter entwickelt hat und "erwachsen" (327) ist.
Auf englischen Internetseiten beschweren sich entrüstete Lehrer über diesen Roman und bezeichnen das Verhältnis, das Mr. Mann mit Nine eingeht, schlicht als Vergewaltigung. Was in der Rechtsprechung als Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen bezeichnet wird, ist in den Augen der Ich-Erzählerin in keinem Augenblick etwas Unrechtes. Nur einmal blitzt das Bewusstsein auf etwas Verbotenes zu tun: "Als ich den Lehrer-Aufkleber auf der Windschutzscheibe spiegelverkehrt sehe, so wie Mr. Mann ihn allmorgendlich sieht, ist das ein merkwürdiges Gefühl. Ich bin an einem ungeheuer verbotenen Ort. Ich bin hier eingedrungen." Dass die Beziehung eindeutig verboten ist und Mr. Mann mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müsste, wird deutlich durch die Heimlichtuerei der beiden und seiner Sorge, Nine könnte ihn in der Schule verraten.
Die enge Ich-Perspektive und die intensive Schilderung von Nines Gefühlen erschweren eine objektive Betrachtung der Ereignisse. Mr. Mann wird mit den Augen von anderen betrachtet und gefiltert bewertet, wobei sich eine reflektierte Wahrnehmung erst im Laufe der Zeit einstellt und mit großen emotionalen Einbußen auf Seiten der Hauptfiguren verbunden ist.
Das größte Potential dieses Romans liegt darin, dass er verschiedenen Lesarten anbietet, die es erlauben, ihn aus verschiedenen Blickwinkeln kontrovers zu diskutieren. Besonders viel Einfühlungsvermögen und emotionale Kompetenz von Seiten der Schüler, vor allem aber auch des Lehrers erfordert die Frage, ob es sich bei der Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin um sexuellen Missbrauch handelt oder ob man in diesem Fall moralische und rechtliche Bedenken über Bord werfen sollte und die Liebe zwischen den beiden als etwas Erwachsenes und Freiwilliges akzeptieren sollte. Die Schüler sollen dazu aufgefordert werden, ihre eigenen Meinung zu vertreten, sinnvoll zu argumentieren, um so ihre eigene Rolle zu festigen:
Das Thema sexueller Missbrauch, das in unserer Gesellschaft nach wie vor - trotz aller gegenteiliger Versuche verschiedener Einrichtungen und Kampagnen - sein Tabudasein nicht abschütteln kann, sollte vom Lehrer nicht der Grund sein, diesen Roman nicht im Unterricht zu behandeln. Ebenso wenig sollte er, wenn er sich für einen Einsatz von Teach me entscheidet, die Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin verharmlosen, indem er Diskussionen unterbindet, die das Thema Vergewaltigung tragen, nur aufgrund eigener Unsicherheiten. Im Zweifelsfall besteht die Möglichkeit, eine Beratungsstelle wie Pro Familia oder Wildwasser e.V. gemeinsam mit den Schülern zu besuchen, um offene Fragen klären zu können, anstatt sie unter den Teppich zu kehren. So bietet dieser Roman als mögliches Lernziel die Sensibilisierung der Schüler zum Umgang mit Tabus und der Frage nach den eigenen Grenzen.