Swing High. Tanzen gegen den Sturm

Autor*in
Franz, Cornelia
ISBN
978-3-8369-6105-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
224
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hildesheim
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Cornelia Franz widmet "Swing High" einer kleinen und bisher kaum beachteten Oppositionsgruppe im Nationalsozialismus, nämlich der sogenannten Swingjugend. Deren TeilnehmerInnen "Tanzen gegen den Sturm", wie der Untertitel lautet - und gegen den Strom. Sie lehnen sich mit ihrer Musik, ihrer Kleidung und ihrem Verhalten gegen den Uniformitätszwang im 3. Reich auf.

Beurteilungstext

Die versierte, hanseatische Autorin Cornelia Franz behandelt die seit 1936 im großstädtischen Bereich in Nazi-Deutschland auffällig und aktenkundig werdenden sogenannten Swingkids, deren Schwerpunkt in Hamburg zu finden war. Im von ihr gewählten Zeitraum von August 1939 bis März 1941 charakterisiert sie diese Jugendszene in Hamburg mit einer überschaubaren Zahl von Protagonisten. Im Zentrum der auktorial erzählten Handlung steht Henri Winkler. Er ist etwa 15 Jahre alt, Gymnasiast und stammt aus einer Arztfamilie. Sein Bekanntenkreis rekrutiert sich vor allem aus diesem sozialen Umfeld. Alle verehren die moderne angloamerikanische Musik, die im Nazi-Jargon als "Hottentottenmusik" verfemt ist. Sie tanzen danach ausgelassen auf ihren privaten Feten, tragen lange Haare und sind modisch bis dandyhaft gekleidet. Soziologisch betrachtet handelt es sich somit um eine jugendliche Mittelschichtgruppierung, die gegen die Gleichschaltungstendenzen im Nationalsozialismus opponiert und die deshalb seit Mitte der 1930er Jahre von der Gestapo beobachtet und verfolgt wurde.

Die Autorin gestaltet die Handlung so, dass man dabei Wichtiges aus dem Alltag der ersten Kriegsjahre erfährt wie etwa die abendliche Verdunkelung, freiwilligen Ernteeinsatz von SchülerInnen während der Ferien oder Zwangsferien im Winter wegen Kohlenknappheit. Zudem deutet Cornelia Franz die allmählich festzustellende Stimmungsänderung in der Bevölkerung an: Von der anfänglichen Siegeseuphorie hin zu allmählicher Skepsis wegen zunehmender Bombardierungen. Deutlich macht sie auch die drastischen Einschränkungen der jüdischen Bevölkerung am Beispiel von einem Geschwisterpaar, das mit Henri befreundet ist und das fliehen muss, um sein Leben zu retten. Und durch Henris neue Freundin Inge, die er auf der Eisbahn kennenlernt, vermittelt die Autorin zudem einen Einblick ins in diesem Falle unpolitische Arbeitermilieu. Denn Inges Bruder, der bei einem Heimaturlaub zu desertieren versucht, wird gefasst und zum Tode verurteilt. Während Inge darüber verzweifelt, finden die Eltern dieses Urteil durchaus angemessen für dessen landesverräterische Tat!

Durch ein geschicktes Strukturmerkmal erweitert Cornelia Franz die soziologische Perspektive ein weiteres Mal: Henri wird wegen seines Verhaltens zeitweise von der Gestapo in Schutzhaft genommen. Hier trifft er in einer dunklen Zelle mit dem jugendlichen Kommunisten Robert zusammen. Sie haben hier viel Zeit, um sich zu unterhalten. Während Robert anfangs von den begeisterten Schilderungen Henris aus der Swing-Szene wenig überzeugt ist, merkt er aber bald, dass es sich doch auch um eine Oppositionsbewegung handelt, wenngleich das Feiern und Feten dabei eine nicht unwichtige Rolle spielt.

Auf die Weise vermittelt das Buch einen informativen Einblick in jugendliches Protestverhalten in Großstädten im 3. Reich, das bisher noch nicht im Fokus der zahlreichen Darstellungen über diese Zeit zu finden war.

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Diese Rezension wurde verfasst von KS; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 15.05.2023