Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone
- Autor*in
- Haddon, Mark
- ISBN
- 978-3-570-30296-5
- Übersetzer*in
- Hübner, Sabine
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 284
- Verlag
- –
- Gattung
- –
- Ort
- München
- Jahr
- 2006
- Lesealter
- 14-15 Jahre16-17 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 7,95 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Der autistische Christopher versucht einen Mord an einem Pudel aus der Nachbarschaft aufzuklären und kommt im Laufe seiner Ermittlungen seinen eigenen Ängsten und Familiengeheimnissen immer näher.
Beurteilungstext
Der Junge Christopher Boone lebt zusammen mit seinem Vater nach dem zunächst angenommenen Tod der Mutter in einer kleinen Vorstadt - Siedlung in England. Christopher ist anders. Es fällt ihm schwer, Menschen zu "lesen". Er bastelt sich seine eigene Welt inmitten der Realität. Er dekodiert den Alltag beispielsweise dadurch, dass fünf rote Autos, die in einer Reihe stehen, einen superguten Tag bedeuten. Christopher ist autistisch und dabei hoch intelligent - ein Mathegenie - besucht aber trotzdem die Sonderschule. Sein sehr geordnetes Leben gerät durcheinander, als Christopher in der Nachbarschaft einen ermordeten Hund entdeckt. Er setzt alles daran, diesen Mord aufzuklären, besonders, weil er zunächst selbst verdächtigt wird. Bei seiner Recherche entdeckt er Dinge, die er nicht versteht. So scheint die Nachbarin, dessen Hund getötet wurde, selbst gar kein großes Interesse an der Aufklärung zu haben. Außerdem verhält sich sein Vater rätselhaft. Nach und nach wird klar, dass die Hundstötung in engem Zusammenhang mit Christophers eigenem Leben steht: Ein Verhältnis des Vaters mit der Nachbarin brachte seine Frau, die Mutter von Christopher, dazu, auszuziehen. Da die Erwachsenen dem gestörten Jungen die Wahrheit ersparen wollten, log man ihm den Tod der Mutter vor.
Christophers innerste Welt gerät aus den Fugen, als er langsam die Wahrheit ans Licht bringt. Panik vor seinem eigenen Vater und die tiefe Sehnsucht nach seiner Mutter bringen ihn unter Aufbietung all seiner Kräfte dazu, das Haus, seine enge vertraute und mit vielen eigenen Regeln reglementierte Welt, zu verlassen, um zu der Mutter nach London zu reisen. Dass er dies schafft grenzt an ein Wunder, doch auch dort erwartet ihn vieles, was er nicht versteht - wie beispielsweise einen neuen Partner der Mutter, der mit Christophers Ausbrüchen und Ängsten vollständig überfordert ist.
Am Ende kommt es zwar zu keiner allgemeinen Versöhnung, doch nach dem ersten Bruch mit dem Vater gibt es wieder erste zarte Annäherungsversuche.
Wie erklärt man Menschen, die "normal" sind, die Welt eines Autisten?
Man versetzt sie dorthin, wo sie alles aus erster Hand erfahren, man lädt sie ein, alles, das Fühlen, Nicht - verstehen und Handeln des Christopher mitzuempfinden. Bei allem, was Christopher von der Welt "da draußen" trennen mag, hat er doch einiges mit ihr gemeinsam: Auch vor Menschen mit so einer Behinderung macht die Realität nicht Halt: Auch hier regieren Pubertät und Scheidung, Abnabelungsversuche und große Gefühle. Und diese Tatsache lässt Buch und Leser zusammen fließen.
Dies wunderbare Buch vermittelt also ein Einfühlen in ein anderes Wesen, indem es ihm gelingt, den Leser sehr nah an die Hauptperson heranzuführen. Die strengen Regeln beispielsweise, die Christopher sich selbst auferlegt - manche Speisen dürfen sich auf dem Teller nicht berühren, die Farben Gelb und Braun sind absolut Furcht einflößend und werden gemieden - diese Regeln sind dem Leser bald so vertraut, dass er sich bisweilen fragt, was daran so sonderbar ist.
Schön ist überdies die Geschichte an sich, die Spannung erzeugt und den Leser zusätzlich fesselt. Sprachlich schlicht gehalten, aber niemals banal wirkend, behält das Buch bis zur letzten Seiten seine Fähigkeit den Leser mitzuziehen.
Die stolzen 283 Seiten werden unterbrochen durch "Aufzeichnungen" von Christopher. Da finden sich mathematische Gleichungen ebenso wie Skizzen oder Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit. Auch so wird noch einmal klar: Christopher ist anders: Er erklärt sich die Welt, indem er das, was er kann - nämlich Mathe - auf sie anzuwenden versucht.
Im Laufe des Buches lernt Christopher immer mehr über sich. Er ist intelligent, deshalb weiß er auch, was seine Verhaltensauffälligkeit mit ihm macht und er weiß auch, dass es stets Trennendes zwischen ihm und der "Welt da draußen" geben wird - trotz mancher Annäherung. Es ist spannend zu erleben, wie er sich weiter entwickelt und ein weiters Plus des Buches, dass keine "Heilung" erreicht wird. So wird es zu einem echten Stück Leben.