Staat X - Wir haben die Macht

Autor*in
Wahl, Carolin
ISBN
978-3-7432-0230-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
397
Verlag
Loewe
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Bindlach
Jahr
2019
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Das große Schulprojekt „Staat X“ startet: Alle Schülerinnen und Schüler sind eine Woche lang auf sich gestellt und simulieren das Leben in einem Staat mit eigener Verfassung, Gesetzgebung, eigenen Zeitungen und Geschäften und eigener Währung. Die Ereignisse werden aus der Sicht von vier Protagonisten geschildert, wodurch die Komplexität von Staat und in ihm lebenden Individuen erlebbar wird. Auch wenn das Projekt letztlich scheitert, wachsen die Beteiligten an den gemachten Erfahrungen.

Beurteilungstext

Lara kommt als Neue an die Schule, als das Projekt beginnt. Sie versteht nur ansatzweise, wie alles funktioniert, und wird zunächst der Gruppe der Arbeitslosen zugeordnet, wodurch sie sich nur noch elender fühlt, denn sie will sich nach ihren bisherigen Erfahrungen in Schulen und Familie am liebsten verstecken. Sie ergreift die Gelegenheit, als Journalistin für die Morgenpost X zu arbeiten, auch wenn sie nichts von dem Job versteht, um nicht als Arbeitslose um Jobs betteln zu müssen. Die beiden Freundinnen Olga und Melina informieren sie über das Wichtigste im Staat X und Lara freundet sich mit ihnen an.
Auch Melina, Protagonistin der Geschichte wie Lara, leidet ebenfalls unter ihrer Vergangenheit. Der Leser erlebt sie als verschlossen, schüchtern und ängstlich, aber fürsorglich im Umgang mit ihrer Freundin. Im Laufe der Ereignisse wird klar, dass sie eine Sandkastenfreundin von Adrian ist, einem weiteren Protagonisten, und dass sich die beiden aus dem Weg gehen, weil etwas zwischen ihnen vorgefallen sein muss. Erst am Ende erfährt der Leser, dass Adrians Vater versucht hat Melina sexuell zu missbrauchen und Adrian tatenlos zugeschaut hat.
Adrian leidet unter der Dominanz und übertriebenen Strenge seines Vaters, der in ihm nur den Versager sieht. Deshalb will Adrian sich und ihm seine Führungsqualitäten beweisen, indem er das Amt des Präsidenten im Staat X bekommt. Wegen Wahlmanipulation unterliegt er jedoch Lars, einem unscheinbaren, unsicheren Mitschüler, und wird zum Polizeipräsidenten ernannt. In dieser Funktion gelingt es ihm, die Macht im Staat immer mehr an sich zu reißen, nachdem es zu mutwilligen Zerstörungen in zwei Geschäften gekommen ist. Mit seinem Auftreten und Charisma bringt er den Präsidenten hinter sich und erwirkt sogar, dass das Parlament den Notstand ausruft und der Polizei alle Machtbefugnisse erteilt. Erst als einige Polizisten diese Macht missbrauchen, Zwangsgelder erpressen und Angst und Schrecken durch Verprügeln und Inhaftierungen etablieren, die in versuchter Vergewaltigung von Melina münden, ruft Adrian selber die reale Polizei und verursacht den Abbruch des Projekts.
Wie Adrian, der bei Provokationen immer wieder überreagiert, weil in ihm zu viel Wut auf seinen Vater und sich selbst brodelt, leidet auch Vincent, der vierte Protagonist, unter seinen familiären Verhältnissen. Seine Mutter ist plötzlich und viel zu früh verstorben und sein Vater versucht sie zu ersetzen, was aber im Laufe der Jahre zur Entfremdung zwischen Vater und Sohn geführt hat, weil er selbst den Tod seiner Frau nicht verarbeitet hat. Vincent ist schweigsam und schüchtern und möchte endlich seine Einsamkeit überwinden und zu einer Gruppe gehören, die er bei der Polizei findet. Um seine Zugehörigkeit zu beweisen, wendet er sich sogar von Lara ab, obwohl sich beide ineinander verliebt haben. Erst als die Lage eskaliert, rettet er Lara aus dem Gefängnis und sagt sich von den Polizisten los.
Indem die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive dieser vier Figuren in der personalen Erzählform geschildert wird, entsteht Spannung, weil sich die einzelnen Kapitel wie Mosaiksteinchen erst am Ende zusammenfügen. Für den Leser wird aber auch die Komplexität der Handlungsstränge erlebbar, verursacht durch viele unterschiedliche Individuen, die alle ihre jeweils eigenen Prägungen und Probleme haben, und damit auch die Komplexität eines Staates sowie die vielfältigen Schwierigkeiten, seine Funktionsfähigkeit aufrecht zu erhalten.
Mit den Protagonisten vollzieht der Leser aber auch einen Reifungsprozess, indem jeder der Vier durch seine schmerzlichen Erlebnisse zu einer Neubewertung seiner Vergangenheit kommt, woraus der Mut erwächst, einen neuen Weg für die Zukunft einzuschlagen.
Spannung, Anschaulichkeit und Jugendsprache, aber auch die Darbietung der Handlung aus der Sicht von vier unterschiedlichen Figuren in relativ kurzen Kapiteln, die dadurch wie Blitzlichter wirken, dürften viele Jugendliche ansprechen und zum Lesen motivieren, was auch schon durch den Prolog geschieht, in dem Lara in einer lebensbedrohlichen Situation vorgestellt wird, die erst ab Seite 351 kontextuiert wird.
Auch wenn das Thema, Kindern und Jugendlichen Macht und Verantwortung in Strukturen der Erwachsenenwelt für eine definierte Zeit zu überlassen, in Literatur und Film häufiger zu finden ist, stellt das Buch „Staat X“ eine Bereicherung dar, weil es unterhaltsam und lehrreich zugleich ist.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Anmq; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 30.05.2019

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