Reißaus mit Krabbenbrötchen

Autor*in
Schlichtmann, Silke
ISBN
978-3-446-27428-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Rassmus, Jens
Seitenanzahl
272
Verlag
Hanser
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
München/Wien
Jahr
2022
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Jontes Opa Peter darf auf keinen Fall ins Altersheim – finden Jonte und ihre beiden Geschwister! Ist Opa Peter überhaupt dement? Und gibt es nicht auch andere Optionen, als ein Altersheim?
„Reißaus mit Krabbenbrötchen“ ist eine spannende Geschichte, in der mit Leichtigkeit und Empathie die mögliche Demenz des Opas aus der Sicht der Kinder thematisiert wird.

Beurteilungstext

Jonte ist 10 Jahre alt und besucht regelmäßig mit ihrem besten Freund Schippo ihren Opa Peter. Opa Peter wohnt allein auf einem großen Grundstück aber Jontes Mama ist sehr besorgt über Opa Peters Gesundheitszustand und findet, dass er wegen sich anbahnender Demenz ins Altersheim gehört – Jonte und ihre beiden älteren Geschwister wollen dies verhindern. Es werden Pläne geschmiedet, um herauszufinden, ob Opa Peter wirklich Alzheimer hat und die Kinder überlegen gemeinsam Alternativen zum Altersheim.
Als ein Streit zwischen der gestressten Mutter und den entschlossenen Kindern eskaliert, beschließt Jonte mit Schippo abzuhauen: Zusammen mit Opa Peter machen sie einen Ausflug nach Husum. Dort angekommen erleben sie ein unerwartetes Abenteuer und das nicht zu vermeidende Telefonat mit den Eltern steht an.
Am Ende findet sich endlich die Lösung der Probleme: Die ganze Familie sitzt in Ruhe zusammen, es werden alle Bedürfnisse und Sorgen auf einen Tisch gelegt und für Opa Peter das Konzept der Mehrgenerationen-WG ausprobiert.
Die Geschichte von Silke Schlichtmann ist von Beginn an sehr mitreißend und authentisch aus der Sicht der 10jährigen Protagonistin erzählt. Durch unerwartete Vorfälle (z. B.: Opa Peter stürzt von einer Leiter und kommt ins Krankenhaus; Jontes Rucksack wird geklaut – und wenig später sehen sie den Dieb und können ihn sogar fassen), gelegentliche Vorahnungen und aufregend-kryptische Kapiteltitel („Viertes Kapitel, in dem irgendwas vielleicht doch nicht das Schlaueste ist, Henrik mir Hagrid zeigt und Hermine die Sache entscheidet“) wird ein stetiger Spannungsbogen aufrecht erhalten.
Kleine bis ganzseitige, einfarbige Zeichnungen etwa alle 10 Seiten lockern die Geschichte auf und stellen in einem Stil, der gut zur sommerlichen Ländlichkeit passt, Situationen der Geschichte dar. Trotz der schlichten Darstellung werden die Gesichtsausdrücke der Personen dabei eingängig verbildlicht.
Es fällt auf, wie anschaulich, vielfältig und wertungsfrei die Emotionen der Protagonistin und– soweit möglich – von anderen Charakteren erläutert werden: Es fließt hier und da eine Träne, Angst und Sorgen werden formuliert, Langeweile, Freude, …
Wie nebenbei und dadurch sehr natürlich werden viele gesellschaftspolitische Thematiken angesprochen: Jontes Schwester Ditte ist mit Amir zusammen, der erst seit einigen Monaten aus der Türkei in Deutschland ist und wieder wegziehen soll. Oder Jontes Bruder Henrik, der vielleicht mit einem Mädchen zusammen kommt, oder mit einem Jungen: „Je nachdem“.
Das Buch erhält nicht unerhebliche Mengen von Wissens- und Methoden-Vermittlung, was erzählerisch beispielsweise über die beiden größeren Geschwister geschieht. So teilen die drei Geschwister das „Oberproblem“ namens „Opa soll ins Heim“ in verschiedene „Unterprobleme“ wie „Ist Opa dement?“ und „Wer will, dass Opa ins Heim soll?“ auf.
Da die Geschichte im Alten Land bei Stade spielt, wird norddeutsche Kultur und Sprache (Opa Peter spricht gelegentlich Plattdeutsch) thematisiert. Auch die Namen der Figuren sind hierbei typisch nordisch gewählt. Für Leser*innen, die norddeutsche Namen nicht gut kennen, wird somit erst nach einigen Seiten klar, dass die Protagonistin Jonte ein Mädchen ist – und es fällt mit angenehmer Leichtigkeit auf, wie irrelevant das Geschlecht einer Person für die Geschichte ist.
Kleinere Kritikpunkte sind, dass unnötigerweise das landläufig in Kindermedien abgewertete Schulfach Mathematik auch in diesem Buch als Hassfach dargestellt wird und dass sich die Eltern erst am Ende der Geschichte nach der Eskalation die Zeit nehmen, mit Kindern und Opa die Altersheim-Thematik zu besprechen. Zudem geschieht das Titel-Element des Buches, das „Reißaus“, erst im letzten Viertel der Geschichte. Einerseits ist somit das Finale der Geschichte vorweggenommen. Andererseits ist das „Ziel“ der Geschichte kein Ort und damit nicht konkret mit einem Reißaus verbunden. Der Wunsch der Protagonistin ist die Vermeidung des Altersheims und ein gemeinsames, achtsames Verstehen der Bedürfnisse innerhalb der Familie zur Lösungssuche für Opa Peters möglicher Demenz.
Insgesamt ist „Reißaus mit Krabbenbrötchen“ ein gleichsam unterhaltsames wie pädagogisch wertvolles Buch über Freundschaft, Familie, Gefühle, Generationen, Norddeutschland und den Genuss von der Lieblingsspeise Krabbenbrötchen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Anna Schumacher; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 04.06.2023

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