Osterspaziergang

Autor*in
Goethe, Johann Wolfgang
ISBN
978-3-934029-47-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Ensikat, Klaus
Seitenanzahl
24
Verlag
Kindermann
Gattung
Buch (gebunden)Lyrik
Ort
Berlin
Jahr
2021
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
18,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Goethes "Osterspaziergang" ist eines der kanonischen Gedichte der Literaturgeschichte; stammt aber eigentlich aus dem "Faust". Kein Wunder, dass es seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Illustrationen gibt, die den Osterspaziergang verbildlichen. In die Riege illustrer Vorgänger reiht sich Klaus Ensikat ein, der als Bilderbuchkünstler selbst geradezu Klassikerrang erworben hat – und 2012 für den Kindermann Verlag den "Osterspaziergang" in einer Sonderausgabe illustriert hat.

Beurteilungstext

Goethes „Osterspaziergang“ zählt zu den kanonisierten Gedichten der deutschen Literaturgeschichte – und ist doch eigentlich ein Monolog des Johann Faust aus dem ersten Teil des Dramas (in der Szene „Vor dem Tor“ in der Ausgabe von 1808) zu finden, wo dieser mit seinem Famulus Wagner einen Spaziergang durch die erblühende Frühlingslandschaft unternimmt. „Vom Eise befreit“ sind hier nicht nur „Strom und Bäche“, sondern auch das trübe Gemüt des strebsamen Forschers, der am Ende des Spaziergangs den Mephistopheles in Gestalt eines schwarzen Pudels mit in sein Studierzimmer nehmen wird.
Der Monolog wurde schnell zum gern rezitierten und im Schulunterricht eingepaukten Gedicht rund um die Osterfeiertage. Kein Wunder, dass es seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Illustrationen gibt, die nicht nur Faust-Ausgaben, sondern insbesondere den Osterspaziergang verbildlichen. In die Riege illustrer Vorgänger wie Franz Simm, Paul Hey, Paul Konewka oder August von Kreling reiht sich Klaus Ensikat ein, der als Bilderbuchkünstler selbst geradezu Klassikerrang erworben hat. Ensikat hat im Laufe seiner langen Karriere so ziemlich alle großen Werke der Literaturgeschichte illustriert: Grimm’sche Märchen, Werke von Hacks, Twain, Melville, Tolkien und auch Goethe.
Den „Faust“ in einer Neuerzählung von Barbara Kindermann illustrierte Ensikat bereits 2002, 2012 folgte die hier besprochene illustrierte Ausgabe des „Osterspaziergangs“. Ensikat bebildert auf Doppelseiten jeweils zwei bis vier Zeilen des Faust’schen Monologs – und zwar auf vordergründig inhaltsgetreue, beim näheren Hinsehen aber herrlich subversive Weise. Zu sehen sind zwei Herren, die sich auf den Weg durch eine Wald- und Stadtlandschaft machen, die in Teilen Bad Kreuznach, dem Wohnort des historisch verbürgten Gymnasialrektors Johann Faust nachempfunden zu sein scheint. Im Dramentext sind es Faust und sein Famulus Wagner, die auf Frühlingswanderung gehen; bei Ensikat lustwandeln aber offenbar zwei andere akkurat und windgeschützt gekleidete, mit feinem Hutwerk bedeckte Herren. Denn bei dem älteren Herrn, der offenbar den Part des Johann Faust einnimmt, handelt es sich offensichtlich um Goethe höchstselbst, und zwar um den alten Goethe der 1820er/1830er Jahre. Und der Famulus trägt das Gesicht von Johann Peter Eckermann, der Nachlassverwalter Goethes, der seit den frühen 1820er Jahren mit dem Geheimrat verbunden war (und lange Zeit als sein Sekretär in diesen Jahren galt).
Bereits aus dieser gestalterischen Entscheidung Ensikats entwickelt sich ein munteres metafiktionales Spiel der Buchausgabe mit ihrem Lesepublikum. Während Goethe/Faust mit eher mürrischem Gesichtsausdruck durch die Lande schlurft, bemüht sich Wagner/Eckermann sichtlich um seinen Begleiter, teils scheinen die Verse des Gedichts auch aus seinem Munde zu kommen. Die Ausgabe ist somit ein gefundenes Fressen für Literaturliebhabende, aber auch für einen Kunst und Literatur verknüpfenden Schulunterricht in der Sekundarstufe.
Es finden sich zahlreiche peritextuelle Schmankerl: So lässt sich Faust bzw. Goethe auf dem Schmutztitel von Wagner/Eckermann ankleiden und spaziert, den Hut in der Hand, zum rechten Bildrand, um dann auf der folgenden Doppelseite inmitten der Landschaft zu spazieren. Charakteristisch für Ensikat ist der Detailreichtum der saturiert kolorierten Bleistiftzeichnungen. Die Stadtzeichnungen sind wahre Wimmelbilder, finden sich doch in ihnen – im Gedicht heißt es passenderweise: „Aus dem hohlen finstern Tor // dringt ein buntes Gewimmel hervor“ – zahlreiche Figurenzeichnungen, die teils nachweltkrieglichen Zeitgenossen nachempfunden sind. Zu sehen ist beispielsweise auf einer Doppelseite ein melancholisch am Fenster stehender Marcel Reich-Ranicki, aber auch der für den weiteren Tragödienverlauf so wichtige schwarze Pudel lässt sich (wiederholt) entdecken.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Philipp Schmerheim; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 01.10.2021

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