Nichts wird wie vorher sein

Autor*in
Milano, Sera
ISBN
978-3-551-58429-8
Übersetzer*in
Schmitz, Birgit
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
352
Verlag
Carlsen
Gattung
TaschenbuchKrimi
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Freizeitlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Titel des Buches „Nichts wird wie vorher sein“ teilt die Zeit in ein Davor und Danach. Die Zeit dazwischen soll dem Feiern eines alljährlich stattfindenden Festivals auf einem ehemaligen Landsitz gehören. Doch zu ihrem Entsetzen finden sich Joe, Violet, Peaches, Ellie und Mai in einem Überfall durch schwer bewaffnete Terroristen wieder, die die Feiernden erbarmungslos jagen und ermorden. Die fünf, so viel ist klar, werden zu den Überlebenden gehören. Aber was mussten sie durchstehen und mit welchen Erlebnissen müssen sie als „Nicht-Todesopfer“ umzugehen lernen?

Beurteilungstext

Um die Lektüre eines Spannungsromans nicht durch eine Rezension zu verderben, soll vom Inhalt möglichst wenig verraten werden. Hinzuweisen bleibt vielmehr auf das narrative Vorgehen der Autorin Sera Milano, die im Nachwort die Aussage ihrer Erzählung selbst umreißt: „[…] gerade weil das Leben selbst so komplett unkalkulierbar ist, ergibt es keinen Sinn, dass wir uns von Angst beherrschen lassen.“

Die Handlung beginnt als Aufzeichnung von Zeugenaussagen, die in Form von kurzen Abschnitten ineinander verschränkt zur chronologischen Rekonstruktion eines Ereignisses zusammengestellt werden. Hierbei erfahren die Leser*innen direkt Namen und Alter der vier erzählenden Stimmen. Die fünfte Hauptfigur bleibt bis kurz vor Ende stumm, so dass stets eine wichtige Perspektive im Dunkeln bleibt. Diese Erzähltechnik etabliert in der Erzählung einen lang anhaltenden Spannungsbogen. Einige kurze Einwürfe anderer Charaktere erläutern an wenigen Stellen das Geschehen außerhalb der Wahrnehmung der Protagonistinnen.

Schauplatz ist zunächst ein Park, der als Festivalgelände dient. Er bietet mit Mauern, Hecken, einem Fluss und der Festivalbühne genug Raum, um eine blutige Menschenjagd mit spannenden Unterbrechungen in scheinbar sicherer Deckung cineastisch in Szene zu setzen. Im Innern des Parks gibt es ein Haus, das sich zunächst als sicherer Unterschlupf anbietet, in der zweiten Hälfte des Buches jedoch zum klaustrophobischen Labyrinth der Gewaltorgie wird. Die Verfolgung zieht sich vom Keller bis zum Dach. Immer wieder unterbrechen Schüsse und Explosionen die trügerischen Ruhephasen und scheuchen die Protagonistinnen mal gemeinsam, mal getrennt durch die Szenen.

Auch wenn die narrative Gestaltung durch die direkten Erzählstimmen ein Eintauchen in die Handlung stark unterstützt, sollten sich die Leser*innen vor Augen halten, dass sie eigentlich protokollierte Zeugenaussagen aus einer nachgelagerten Perspektive präsentiert bekommen. Anders wären die ausschweifenden Gedankengänge der Figuren kaum zu erklären. Dem widerspricht allerdings das häufige Auftreten wörtlicher Rede, die in Zeugenaussagen in der vorliegenden Form kaum vorstellbar wäre. Diese Brechung in der narrativen Technik erweckt den Eindruck, dass der erzählerische Rahmen – Protokollsituation auf der einen, Gedankenfluss auf der anderen Seite – vor allem der emotionalen Leserinnenlenkung dienen soll.

Das „Vorher“ aus dem Titel des Buches (der Originaltitel „This can never not be real“ verweist weniger auf die Zeit vor den geschilderten Ereignissen) nimmt einen großen Teil der Erzählung ein. Viel umfangreicher, als es die rasante Handlung zulassen sollte, reflektieren die Erzählstimmen über sich selbst und ihr Verhältnis zu den anderen Figuren. Vergleicht man die Rahmenhandlung mit einem Action-Thriller, so erwecken die Figurencharakterisierungen aus Eigen- und Fremdperspektive den Eindruck einer Jugend-Soap mit Stilmitteln wie Cliffhanger und Identifikation mit der Figuren-Peergroup inklusive sprunghafter, zwanghaft vorangetriebener Charakterentwicklung, die mit der Handlung nur lose in Zusammenhang steht.

Ist das Buch eine Betrachtung der traumatischen Auswirkungen eines Terroranschlags? Enthält es vielleicht sogar Hinweise zu deren Erfolg versprechender Verarbeitung? Nach den genannten Betrachtungen muss diese Frage verneint werden. Die eingangs erwähnte Rolle als Überlebende wird nur am Rande reflektiert. Es handelt sich vielmehr um ein gut gemachtes Mitnehmen der Leser*innen auf emotionaler Ebene mit einem Schwergewicht auf Hoffnungslosigkeit, Gewalt, Erbarmungslosigkeit und dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Für diejenigen, die an angsteinflößenden Gewaltdarstellungen Gefallen finden (Stichwort: Splatter), könnte das Buch durchaus spannende Unterhaltung bieten. [Der Rezensent, so viel sollte an dieser Stelle gesagt werden, um die Rezension besser einordnen zu können, zählt sich nicht zu dieser Gruppe.]

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von NIK; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 31.03.2023

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