Nichts wird wie vorher sein

Autor*in
Milano, Sera
ISBN
978-3-551-58429-8
Übersetzer*in
Schmitz, Birgit
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
352
Verlag
Carlsen
Gattung
Science FictionTaschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Beim Feuerwerk anlässlich des alljährlichen Festivals in Amberside fallen urplötzlich Schüsse. Panik bricht aus. In Todesangst versuchen die zumeist jugendlichen Teilnehmer, das Gelände zu verlassen. Dutzende werden von den Attentätern erschossen. Fünf Teenager, die schließlich trotz teils heftiger Verwundungen überleben, erzählen sehr eindringlich von ihren Empfindungen während des Geschehens und davon, welche gravierenden Veränderungen dieses traumatische Ereignis in ihrem Leben bewirkt hat.

Beurteilungstext

Das alljährlich stattfindende Ambereve-Festival in der (fiktiven) englischen Kleinstadt Amberside geht seinem Ende entgegen. Der ereignisreiche Tag, zu dem sich ein großer Teil der Ortbevölkerung eingefunden hat, soll wie gewohnt mit einem großen Feuerwerk beschlossen werden. Er wird zum Alptraum; denn urplötzlich fallen Schüsse. Menschen drängen panisch auseinander, versuchen mit allen Mitteln, von der Bühne weg über den einzigen Ausgang des Festivalgeländes dem Horror zu entfliehen. Andere finden vermeintlich Rettung im historischen Hearne House. Die unbekannten Attentäter morden gezielt, ein oder zwei sprengen sich als Selbstmordattentäter in die Luft. Dutzende Menschen werden erschossen oder zu Tode getrampelt, bevor nach viel zu langer Zeit die Polizeikräfte anrücken.
Geraume Zeit später sitzen fünf jugendliche Überlebende zusammen: Joe, Peaches, Mai, Violet und Ellie, die bei dem Massaker teils lebensgefährliche Verletzungen erlitten und Freunde oder Verwandte verloren haben, erzählen in bewegenden Worten, wie sie die Katastrophe und die Folgezeit erlebten. Und wie sich ihr Blick auf das Leben und die Zukunft verändert hat.
Das von der englischen Autorin Sera Milano beschriebene Szenario erinnert an ähnliche Fälle beispielsweise in den U.S.A. oder in Norwegen (Utøja). Die Besonderheit ihres Romans liegt jedoch darin, dass er den Fokus ausschließlich auf die Wahrnehmungen und Gefühle der Opfer legt. Die fünf beteiligten Jugendliche berichten als Ich-Erzähler aus ihrer ganz persönlichen jeweiligen Perspektive. Der genaue Ablauf des Geschehens spielt dabei kaum eine Rolle; die Herkunft oder die näheren Beweggründe der Terroristen sowie deren genaue Anzahl bleiben praktisch unerwähnt. An mehreren Stellen im Buch wird es zu Recht damit begründet, dass eine derartige menschenverachtende Tat durch absolut nichts zu rechtfertigen sei und somit auch nicht weiter erklärt werden müsse. Der Roman setzt daher nicht so sehr auf spektakuläre, sensationsheischende Beschreibungen, sondern auf eine zutiefst berührende Schilderung dessen, was die urplötzlich aus ihrem normalen Leben herausgerissenen, körperlich und seelisch stark traumatisierten Teenager sehen und durchmachen mussten – und weiterhin durchmachen müssen. Allen gemein ist indes, dass sie das Erlebte nicht verdrängen, dass sie aber ihre Zukunftsperspektiven und Wertigkeiten des Lebens, die sich zweifellos in vielerlei Hinsicht verändert haben, jedoch nicht über die Maßen davon bestimmen lassen wollen. Auch dann, wenn klar ist: „Nichts wird wie vorher sein“.
Der ständige, bisweilen gar nach nur einem einzelnen Wort erfolgende Wechsel im Bericht der Erzählfiguren wirkt anfangs etwas störend für den Lesefluss, ist aber – u.a. als spannungsaufbauendes Stilmittel - durchaus gerechtfertigt. Stimmig für eine derartig krasse Ausnahmesituation kommt auch die mitunter heftige Diskrepanz von erlebten und realen Zeitabläufen (erzählter und Erzählzeit) zum Ausdruck, sowohl in Zeitraffer- als auch in Zeitlupenmanier.
Der packend und sehr emotional erzählte Roman eröffnet einen viel zu oft vernachlässigten Blick auf die Befindlichkeiten und drastischen Veränderungen im Leben der Betroffenen von Terroranschlägen, die sich zudem häufig als Überlebende schuldig fühlen am Tod der anderen. Er vermittelt zugleich Hoffnung, wenn etwa die einst attraktive Ellie (deren Haut bei dem Attentat zu 70 Prozent verbrannt wurde) für sich resümiert: „Wir können nie mehr so tun, als wären wir sicher. Nichts wird mehr wie vorher sein, und das macht mir Angst. Aber noch mehr fürchte ich mich davor, dass ich der Angst erlaube, mich vom Leben abzuhalten. Ich werde leben. Nicht sicher zu sein, ist dafür erst recht ein Grund. Ich finde nicht, dass wir diesen Leuten (den Terroristen) erlauben sollten, noch ein weiteres Leben zu rauben.“ (S. 330)
Das Buch, ein großartiges und in jeder Hinsicht überzeugendes Plädoyer für das Leben, ist gleichermaßen für jugendliche Leserinnen und Leser ab 14 Jahren wie für Erwachsene geeignet. Es kann auch gut verwendet werden, um ähnliche, von den Medien berichtete Ereignisse im Schulunterricht der oberen Mittelstufe und vor allem der Oberstufe unter einer eher ungewohnten Prämisse zu diskutieren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gerd Klingeberg; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 01.07.2022

Weitere Rezensionen zu Büchern von Milano, Sera

Milano, Sera

Nichts wird wie vorher sein

Weiterlesen