Mein Freund Otto, das wilde Leben und ich

Autor*in
Lambeck, Silke
ISBN
978-3-551-31943-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Jung, Barbara
Seitenanzahl
180
Verlag
Carlsen
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2021
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
6,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Matti und Otto kennen sich schon seit dem Babyalter und sind beste Freunde. Sie leben mit ihren Familien in Berlin Mitte und gehen in die gleiche Klasse. Als sie für die Schule einen Rap schreiben und vorführen sollen, stellen sie fest, dass sie eigentlich viel zu brav und langweilig normal leben. Auf ihrer Suche nach dem wilden Leben stolpern sie in unverhofft mitten hinein in die üblen Machenschaften der Vermieter-Mafia.

Beurteilungstext

Lambeck erzählt temporeich, mit vielen unverhofften Wendungen und mit einem Augenzwinkern eine Abenteuergeschichte im städtischen Berliner Milieu. Wer ein bisschen was über die doch sehr unterschiedlichen Berliner Bezirke und Stadtteile weiß, wird ihre immer treffenden, pointierten und humorvollen Darstellungen lieben, die sie aus der Kinderperspektive von Matti darstellt.
Die beiden Freunde sind begeistert von „Bruda Berlin“ (einem ca. 13jährigen Neuköllner) und seinen nach schweren Jungs und Gangster klingenden Rapsongs. Als sie überlegen, wie sie so etwas hinkriegen könnten, stellt Matti ihren Kiez und ihre soziale Lage so vor: „In unserem Viertel gibt es keine Spielhöllen oder Döner-Läden oder Ein-Euro-Shops. Es gibt noch nicht mal einen normalen Lebensmittelladen. Oder einen Bäcker. Dafür haben neulich zwei vegane Cafés eröffnet und eine Kindermode-Boutique, die „Carl und Clärchen“ heißt. Die schlimmsten Verbrechen, die hier passieren, sind Kinderwagen-Diebstähle. Was toll ist: Wir können alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen. Klavier (ich), Yoga (Otto), Mathenachhilfe (ich), Fechten (ich), Gitarre (Otto), Kochen für Kids (Otto). Hört sich irgendwas davon nach Gangsta-Hobbys an?“ (S. 16) Auf der Suche nach etwas Verbotenem, aber auch nicht allzu gefährlichem fällt ihnen der Kiosk von Horst Zimmermann (von Freunden Hotte genannt) ein. Der letzte „normale Laden“ in der Straße ist ein Kiosk mit Späti, „indem es nicht etwa Buddha-Rollen und Rhabarberschorle gibt, sondern Riesengummibären und Eis am Stiel und Bier und abgepackte kleine Salamis.“ (S. 19) Für die Jungs ist dieser Laden trotz seines sich als Kinderhasser gebenden Inhabers wichtig, gibt es doch hier wenigstens noch eine Kugel Erdbeereis für 90 Cent statt 1,80 € für eine Kugel Quitte-Lavendel-Eis – was ihrer Meinung nach niemand braucht. So dichten sie einen gelungenen Rap-Text auf den (oft betrunkenen und immer schlecht gelaunten) Mann. Aber dann kommt alles ganz anders, denn der Kiosk ist vom Abriss bedroht, weil das Grundstück interessant ist für Spekulanten, die ihm Schläger auf den Hals hetzen. Zufällig bekommen die Jungs das mit und schon sind sie mitten drin im „wilden und gefährlichen Leben“. Am Ende bleibt nicht nur der Kiosk, sondern es entwickelt sich auch eine echte Freundschaft zwischen den Jungs und Zimmermann, den sie sogar Hotte nennen dürfen.
Selten habe ich in den letzten Jahren ein Kinderbuch mit so großem Vergnügen und in einem Zug gelesen, wie diese turbulente Abenteuergeschichte mit den beiden so verschiedenen Helden: Matti mit seiner nicht zu bremsenden „Lachsucht“ und seiner pragmatischen lösungsorientierten Art und Otto mit seiner philosophischen Ader bei gleichzeitiger Unfähigkeit in den praktischen Dingen des Lebens.
Genau beobachtet und trefflich beschrieben ist der Blick der Kinder auf die Erwachsenen, insbesondere die Mütter: Da ist Ottos Mutter mit ihrem „Mama-Mitte-Blog“, in dem sie den armen Otto in einer unmöglichen Yogaposition präsentiert, „dem Hund“. Ottos größte Sorge ist, dass das mal jemand aus der Klasse dieses peinliche Bild sieht. Da wäre er, der ja sowieso wegen seiner Unsportlichkeit gehänselt wird, „maximal blamiert“. Und Mattis Mama trifft sich seit einiger Zeit mit dem in Mattis Augen völlig unsympathischen Langweiler Herrn Strohschein. Glücklicherweise bahnt sich aber hier eine neue Beziehung zum coolen Sportlehrer der Freunde an.
Die Kapitel über den Ausflug der beiden Jungs ins gefährliche Neukölln spielt auf witzige Weise mit den Klischees über arabische Clans und Straßenkriminalität, zeigt die fröhliche, lebendige Seite des Alltagslebens auf den Straßen und in den Familien ohne die Unterschiede einzuebnen. So beobachtet Matti staunend, wie es in der Familie von „Bruda Berlin“ zugeht, ohne das „Andere“ zu diskriminieren.
Und so endet die Geschichte im 25. Kapitel, mit einem vorläufigen Happy End für alle Beteiligten.
Die Illustrationen von Barbara Jung unterstreichen die Komik und auch die Absurdität so mancher Situation durch Überzeichnung und erhöhen das Lesevergnügen.
Fazit: Ein tolles, witziges Kinderbuch, eine gelungene Erzählung aus dem Berlin der 2020er Jahre, eine schöne Freundschaftsgeschichte und eine Geschichte, die soziale Milieus trefflich beschreibt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von SRAn; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 22.12.2021

Weitere Rezensionen zu Büchern von Lambeck, Silke

Lambeck, Silke

Mein Freund Otto, das Blaue Wunder und ich

Weiterlesen
Lambeck, Silke

Mein Freund Otto, das Blaue Wunder und ich

Weiterlesen
Lambeck, Silke

Mein Freund Otto, das Blaue Wunder und ich

Weiterlesen
Lambeck, Silke

Was macht der Kater, wenn ich schlafe?

Weiterlesen
Lambeck, Silke

Herr Röslein kommt zurück

Weiterlesen
Lambeck, Silke

Was macht der Kater, wenn ich schlafe?

Weiterlesen