Manno! Alles genau so in echt passiert

Autor*in
Kuhl, Anke
ISBN
978-3-95470-218-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kuhl, Anke
Seitenanzahl
132
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Comic
Ort
Leipzig
Jahr
2020
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Kinderszenen in den 1970er Jahren - damit zeigt Anke Kuhl sowohl, was anders war, als auch, was Kinder heute genau so oder ähnlich erleben, durchdenken oder fühlen.

Beurteilungstext

Zunächst ist dieses Buch vielleicht etwas für die Generation, die Kindheit in den 1970er Jahren durchlebt hat: Also ein Buch für Erwachsene. Aber zum Inhalt:
Eva und Anke wachsen in einer Familie auf, Vater, Mutter, Oma, Opa, zwei Kinder. In 18 Szenen werden Situationen geschildert, die einerseits individuell für diese Kinder, diese Familie gelten, andererseits prototypisch erscheinen für Kindheit in den 1970er Jahren. Wunderbar wird fast ohne Text das Problem der labbrigen Strumpfhosen in Szene gesetzt: Unförmig, eng, verhuddert. Da muss Papa helfen, und dann sitzt die Strumpfhose: Das Gummi weit über dem Bauchnabel. Oder der schwesterliche Streit um eine Unterhose, der in einem Klobürstenfechtkampf endet. Und wunderbar die Inszenierung des "Quälspiels", bei dem die Verliererin etwas Schreckliches machen muss, was die anderen bestimmen. Lebendig werden diese Kindheitsszenen durch die genaue und pointierte Beobachtung und die geschickte Text-Bild-Inszenierung: Textlich gibt es kommentierende intern fokalisierte Textteile, die Ankes Erinnerungen darstellen, sowie Sprechblasen in den Bildern. Die Panels und Seiten sind sehr unterschiedlich aufgeteilt: Häufig mehrere gerahmte Kästen, aber auch freistehende Bildelemente und seitenfüllende Bilder. Die Bildfolge bleibt jedoch immer offensichtlich. Mit filmischen Mitteln, unterschiedlichen Bildperspektiven und "Kameraeinstellungen" zeigen die Bilder das Erzählte als Außensicht. So können wir teilweise Innen- und Außensicht der Erzählerin parallel wahrnehmen. Bemerkenswert ist dann die Darstellung der 1970er Jahre: Durch die Nennung von Personen (verliebt in Rudi Carell und Willi Brandt) oder die Einbindung von Fernsehshows ("Sie sind der Meinung, das war Spitze") oder die ausführliche Darstellung der Haarpflege der Mutter mit Lockenwicklern etc. Echter Höhepunkt ist das Kapitel "Gimmi Gimmi Fimmi (Ä Mänafa Mitleid)“, in dem Eva Anke und zwei Freundinnen das ABBA-Lied tanzen und vollkommen unverstanden (??) mitsingen. Aber vor allem durch die häusliche Ausstattung und die Darstellung der Menschenwerden old 70er unverwechselbar dargestellt: Die Frisuren und Kleidung, Ankes exorbitant große rote Brille, das grausig grün gekachelte Badezimmer oder der Hobbyraum mit einer wirklich ausladenden (im doppelten Sinne) Eckgarnitur. Damit wird dieses Buch für die Generation 40+ ein Erinnerungsbuch an eigene Kindheitserlebnisse und ist eine amüsante Lektüre.

Kinder sehen und lesen das Buch anders, denn natürlich ist das Erzählte auch prototypisch für eigene Kindheitserlebnis. Auch 2020 streiten sich Schwestern, kann man Telefonstreiche machen, werden Kinder liebevoll von Großeltern umsorgt, streiten sich die Eltern oder ist das lang ersehnte Haustier kein Selbstgänger sondern auch problematisch. Die interne Fokalisierung auf Ankes Sicht gibt Anlass zum Mitfühlen und immer wieder sind es Szenen, bei denen man den Eindruck hat, dass Kuhl "Kindern aufs Maul geschaut hat", die auch zum Nachdenken anregen, etwa wenn Anke - angeregt durch einen Schlagertext - darüber nachdenkt, ob es schöne Schmerzen geben kann.

Der Untertitel "Alles genau so in echt passiert" suggeriert, dass hier nicht fiktional erzählt würde. Und gekoppelt mit der Namensgebung der Protagonistin, der internen Fokalisierung und einem Blick auf Anke Kuhls Geburtsjahrgang (1970) wird nahegelegt, Autorin und Erzählerin als identisch zu sehen. Dabei regen gerade all diese Hinweise dazu an, über dieses Verhältnis nachzudenken. Dabei mögen alle Kapitel auf Erinnerungen der Autorin an ihre Kindheit beruhen - die Inszenierung, Auswahl, Zuspitzung und Ver"dichtung" im Schreib- und Malprozess sind Prozesse der Fiktionalisierung: Nicht die Wahrheit des Erzählten ist das, was dieses Buch bedeutsam macht, sondern gerade die über die individuelle Erfahrung hinaus gehenden Anschlussmöglichkeiten eigener Erfahrungen und Erkenntnisse von Kindern und Erwachsenen machen dieses Buch wertvoll. Die Authentizität dieser Szenen hängt nicht an der Glaubwürdigkeit der Zeitzeugin und der Wahrhaftigkeit des Dargestellten, sondern an dem Wiedererkennen eigenen Erlebens. Und genau dadurch ist dieses Buch ein wunderbares Buch über Kindheit früher und Kindheit heute.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 04.09.2020

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