Kollektorgang

Autor*in
Blum, David
ISBN
978-3-407-75734-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
127
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
Weinheim
Jahr
2023
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Dieses Buch über ein Aufwachsen in den 90er Jahren in einem Hochhausviertel irgendwo im Osten Deutschlands ist ein kleines stilles Meisterwerk, das einen wahren Sog auf die Lesenden ausübt und lange nachhallt.

Beurteilungstext

Erzähler ist der 13-Jährige Mario, der zurück auf die letzten Wochen seines Lebens blickt. Denn erzählt wird dieses Buch vom Friedhof aus, wo Mario nun – ja, was? – lebt? Existiert? Dort hat er viel Zeit nachzudenken. In kurzen Kapiteln rekapituliert er einzelne Szenen, die in der Gesamtschau das Bild einer brutalen Kindheit und Jugend zeichnen – ohne, dass die Situation durchweg hoffnungslos wirkt. Ein „Es war eben so“, schwingt in den Sätzen mit. Erwachsene sind erschreckend passiv, beschäftigt mit anderen Dingen als den Aktivitäten oder Gefühlen ihrer Kinder. David Blum gelingt es überzeugend, das Bleierne dieser Zeit und die scheinbare Normalität einzufangen.
Diese Rückblicke sind kunstvoll verwoben mit aktuellen Beobachtungen und Kontemplationen, wie „Aufmerksamkeit ist ein rares Gut zwischen Friedhofsmauern. Nur wenige Gruben werden über Jahrzehnte gepflegt. Neidisch blicken wir zu ihnen hinüber.“ In klaren, manchmal lakonischen Sätzen schwingen eine tiefe Wahrheit und Trauer mit. Immer wieder wird dieses Gefühl durch witzige Anmerkungen gebrochen.
Eine großartige Figur ist dabei der Grabnachbar Hoffmann, ein ehemaliger Bauingenieur und „alter Hase“, der schon lange auf dem Friedhof auf seinem Grabstein hockt und einziger Gesprächspartner für Mario ist. Überhaupt die Charaktere des Buches: Rajko, Ema, Stefan sind wunderbar gezeichnet! Dabei verrät der Autor eher weniger über sie, einiges kann erschlossen werden, vieles bleibt der Fantasie der Lesenden überlassen. Dennoch sind sie alle (bis auf den Anführer Nicki) vielschichtig angelegt, verweigern sich einer klaren Einordnung.
Mit ungeheurer Wucht wird hier im Kleinen erzählt, wie Ausgrenzung erfolgt, sich Rechtsextremismus verbreitet und Gewalt Bahn bricht. Es geht um Freundschaft, erste Liebe, Verrat und Sehnsucht. Und das alles in einer wunderbaren Sprache: „Ein Mädchen, so schön wie Himbeereis und so klug wie dreizehn Taschenrechner. So traurig wie ein Eisberg und so stark wie ein Fahrradschloss. Die Tochter eines Vaters, die Schwester eines Bruders. Das Mädchen, das mich erlösen könnte, habt ihr es vielleicht gesehen?“
Lassen Sie sich nicht vom wenig ansprechenden Cover abschrecken! Dieses Buch berührt und verstört zugleich – und schafft unzählige Anlässe, um mit jungen Menschen über das Leben und was wirklich zählt ins Gespräch zu kommen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ah; Landesstelle: Berlin.
Veröffentlicht am 29.06.2023

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