Klein-Lichtstadt
- Autor*in
- Canby, Kelly
- ISBN
- 978-3-96843-044-7
- Übersetzer*in
- Baunacke, Lena
- Ori. Sprache
- Englisch
- Illustrator*in
- Canby, Kelly
- Seitenanzahl
- 40
- Verlag
- Carl Auer
- Gattung
- BilderbuchBuch (gebunden)
- Ort
- Heidelberg
- Jahr
- 2023
- Preis
- 19,95 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
In Klein-Lichtstadt gibt es eine große Mauer, doch die bekommt zunehmend Löcher. Eine Gefahr? So sieht es jedenfalls der Bürgermeister.
Beurteilungstext
Eine große Mauer umgibt Klein-Lichtstadt von allen Seiten, doch die bekommt zunehmend Löcher. Es fehlen plötzlich Ziegelsteine, niemand weiß, wer schuldig ist. Klar scheint aber, dass das ein Problem und eine Gefahr ist. Denn die Mauer schützt ja vor den Leuten im Norden, Osten, Süden und Westen, die andere Kleidung tragen, andere Lebensmittel anbauen, andere Bücher lesen und zu anderer Musik tanzen – die einfach anders und vermutlich also auch gefährlich sind. Bei der Suche nach der Dieb*in beobachten die Menschen von Klein-Lichtstadt immer mehr die Menschen außerhalb der Mauer, und sie sind fasziniert von den anderen, die sie bisher nur aus Angstphantasien kannten. So schlägt die Stimmung um, und als die Dieb*in und die fehlenden Steine gefunden werden, bauen die Menschen lieber eine kleine Schutzmauer für den Bürgermeister, hinter der er sich allein verstecken kann, bis er auch in dieser neuen, offenen Welt leben möchte. Die Löcher in der Mauer werden dann zuerst zu Fenstern, dann zu Türen und schließlich zu Brücken. Eine neue Zukunft in Vielfalt und mit weniger Angst kann kommen.
Diese idealisierte parabelartige Erzählung führt aus, wie Abschottung und Unkenntnis zu unbegründeter Angst, Begegnung aber zu Vertrautheit und Gemeinschaft führen können. Dabei ist der Anlass der Begegnung nicht zwingend von allen gewollt, aber die Nähe erzeugt eine gegenseitige Vorstellung und hilft, Vorurteile abzubauen, die sich nicht mehr begründen lassen. Das wird in der kurzen verbalen Erzählung und den detailreduzierten und typisierten, großformatigen Illustrationen eindrücklich umgesetzt. Die grauschattierten Aquarellzeichnungen sind mit starken Farben akzentuiert, die zuerst einmal Gruppen andeuten, aber auch darauf hindeuten, was die Klein-Lichtstädter*innen mit ihrer Abschottungspolitik verloren haben. Die Bilder akzentuieren die verbal beschriebenen Unterschiede, sie konnotieren diese aber eher positiv und damit erzeugen sie eine Spannung in der Erzählung, die dann auch von den Klein-Lichtstädter*innen erkannt und überwunden wird. Auch wenn das sicherlich kaum realistisch ist, wird daran ein Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens deutlich. Ängste kann man nur proaktiv überwinden. Und manchmal braucht es dazu eine Dieb*in. Sehr überzeugend – sehr zu empfehlen!