Keine halben Sachen

Autor*in
Herden, Antje
ISBN
978-3-407-81248-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
144
Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Weinheim
Jahr
2019
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Jugendliche mit Protagonisten zu konfrontieren, die eine unmittelbare Drogenkarriere erleben, birgt eine gewisse Fallhöhe: Entweder mahnt der pädagogische Zeigefinger zu streng nach einer enthaltsamen Lebensweise oder die Neugier nach eigenen Experimenten wird erst durch die Lektüre geweckt. Doch Robins authentischer Showdown lässt verschiedene Lesarten zu. Besonders das überraschende Ende sorgt für eine nüchterne Desillusionierung.

Beurteilungstext

Dass die Pubertät eine Zeit des Sich-Ausprobierens und der Suche nach der eigenen Persönlichkeit ist, ist allgemein bekannt. Die Ablösung aus dem Elternhaus und die individuellen Sozialisierungsprozesse gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Robins Weg zum Erwachsenwerden gestaltet sich allerdings holprig und wird begleitet von zahlreichen Verführungen: Alkohol, Drogenkonsum und die Liebe zum anderen Geschlecht werfen den Heranwachsenden völlig aus der Bahn und sorgen schlussendlich für eine dramatische Entwicklung der Ereignisse.

Alles beginnt damit, dass der 15-jährige Außenseiter auf dem Weg zur Schule vor seinem Haus auf Leo trifft. Die besondere Kennenlernsituation wird bereits in den ersten Zeilen durch die außergewöhnliche Erzählsituation deutlich: Der Ich-Erzähler Robin spricht in der Du-Form seinen zukünftigen Begleiter Leo an und scheint ihm aus der Retrospektive seine eigene Geschichte erzählen zu wollen. Diese durchgängige Du-Adressierung erzeugt bei den Leserinnen und Lesern einerseits das Gefühl, direkt angesprochen zu werden. Andererseits sorgt es für eine gewisse Distanz, solange man sich als Leserin oder Leser vorstellt, stiller Beobachter der dyadischen Zweier-Konstellation zu sein. „Erst später begriff ich, dass mir deine Unbekümmertheit eigentlich imponierte. Aber an diesem Tag konnte ich das nicht zugeben. Weil du alles warst, was ich nicht war. Und weil ich das vom ersten Moment an kapiert hatte.“ (S. 8)

Leo erscheint für Robin als leuchtende Figur im sonst trist wirkenden Alltag. Weil sich Robins Mutter um ihre krebskranke Freundin kümmern muss, merkt sie nicht, wie Robin durch die neue Freundschaft in eine Szene abrutscht, die ihn durch ein Zuviel an Alkohol, Drogen und Sex in eine Abwärtsspirale zieht, die er bald selbst nicht mehr steuern kann. So wird er zum notorischen Schulschwänzer, verbringt seine Tage im Park mit anderen Jugendlichen und sieht in Leo seinen persönlichen Mentor und Lebensretter. Ihm erzählt er dann auch ohne Umschweife, wie er sein eigenes Abdriften in die Parallelwelt einer jugendlichen Subkultur erlebt.

Der faszinierende Sog der Drogenerfahrungen in dem scheinbaren Schutz der neuen Peergroup sorgt dafür, dass sich Robin mehr und mehr von seinem ursprünglichen Leben entfernt. Ein Widerstehen der verschiedenen Verlockungen ist fast nicht möglich, besonders weil die Nähe zu den Mädchen Anna und Karla für ganz neue Erfahrungen sorgen. Obwohl Robin Karla liebt, hat er mit Anna das erste Mal Sex. Trotzdem baut er anschließend eine Beziehung zu Karla auf, die allerdings durch zahlreiche Trips beeinträchtigt wird. Die gemeinsam geplante LSD-Erfahrung wird zum Horror-Szenario und sorgt dafür, dass Robin desaströs scheitert. Filmriss, körperliche Schmerzen, emotionale Hilflosigkeit und ein Streit mit seiner Mutter eskalieren in einem tragischen Unfall.

Erst diese Ausnahmesituation ermöglicht es Robin, nüchtern seine eigene Geschichte zu reflektieren. Am Ende wissen die Leserinnen und Leser mehr als der Protagonist selbst: Robin leidet unter einer gespaltenen Persönlichkeit und nutzt Leo als Medium, um an sich selbst eine Art Warnung zu richten. Inwiefern der Drogenkonsum Einfluss auf diesen Charakter genommen hat, müssen die Leserinnen und Leser selbst entscheiden.

Der psychedelisch anmutende Einband, gepaart mit dem programmatischen Titel, wirken richtungsweisend und leitmotivisch. Das offene Ende bietet unterschiedliche Interpretationsansätze. Dadurch ist ein Einsatz in pädagogischen Zusammenhängen durchaus sinnvoll; dies nicht unbedingt im Sinne einer Abschreckung, sondern vielmehr, um individuelle Biographien zu betrachten und potenzielle Schuldfragen zu diskutieren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 02.01.2020

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