Keine Bibel

Autor*in
Nürnberger, Christian
ISBN
978-3-522-30541-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
235
Verlag
Thienemann
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
Stuttgart
Jahr
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
15,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das Beste aus der Bibel, vom sogenannten Alten bis zum sogenannten Neue Testament in einer Nacherzählung von Christian Nürnberger.

Beurteilungstext

Christian Nürnberger wird uns im Klappentext als „hochkarätiger Autor“ vorgestellt, dessen bisher größter Bucherfolg „Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten“ monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste stand. Mit „Keine Bibel“ hat er sich das Ziel gesetzt, ein Buch zu schreiben, „das den Zugang leicht macht für Menschen, die gern wüssten, was da eigentlich drinsteht in der Bibel“, wobei er sich nach eigenem Bekunden „als eine Art Touristenführer“ betätigt, der die Lesenden „von Geschichte zu Geschichte führt, damit sie hinterher zumindest erahnen, wie diese Geschichten aus der uns fremden Antike miteinander zusammenhängen, und wie sehr sie unsere Kultur, unser Denken, unsere Sprache beeinflusst haben.“ Touristen fliegen von Kontinent zu Kontinent, von Land zu Land, von Stadt zu Stadt. Weil sie zu träge sind, sich ein Bild zu machen, machen sie Bilder, die als Datenmüll auf ihren Datenspeichern landen. Und weil sie keine Zeit haben, brauchen sie einen Touristenführer, der sie zu den markanten Orten der Geschichte führt, damit sie mit dem Gefühl nach Hause fahren, die Reise habe sich gelohnt. Auch die Touristenführer haben keine Zeit, weshalb sie gezwungen sind, sich auf das zu konzentrieren, was ihnen bedeutungsvoll erscheint, aber schnell zu vermitteln und schnell zu konsumieren ist. Indem nun Christian Nürnberger im Gespräch mit glaube aktuell (www.glaubeaktuell.net) behauptet, die Bibel „sei das zentrale Buch unserer Kultur und darum das Buch, ohne das man nichts versteht“, unterliegt er eben diesem Zwang, wobei er uns das literarische Zeugnis einer archaischen Stammesgesellschaft als Seifenoper präsentiert: „Alles, was es gibt und das Leben zwischen den Menschen bestimmt, kommt in der Bibel vor: Liebe, Gier, List, Hass, Neid, Macht, Sex, Mord, Geld, Mut, Glück, Pech, Tod, Schwindel, Frevel, Laster, Betrug, Wunder, Rettung, Strafe, Verdammnis, Vergebung und Barmherzigkeit.“
Warum wir nach dieser Aufzählung die Bibel und nicht „Fifty Shades of Grey“ lesen sollen, bleibt unklar, zumal der Autor die zentrale Frage nach der sich wandelnden Funktion von Glaube und Religion nicht einmal stellt. So bleibt er konsequent an der Oberfläche und verzichtet darauf, uns mit der Sprache der Bibel, mit ihrem teils märchenhaft erotischen oder brutalen Reiz, mit ihren endlosen Geschlechterfolgen, ihren Ge- und Verboten, Hygienevorschriften und Bauanleitungen zu konfrontieren, betätigt sich also seinem eigenen Anspruch gemäß als Touristenführer, der die Geführten bei Laune halten muss, damit sie nicht im nächstbesten Café oder Kaufhaus hängenbleiben.
Damit aber genau das nicht geschieht, verlässt er sich auf den Wechsel von biblischer Nacherzählung und einer als „Zwischenruf“ betitelten Erläuterung. In diesen Zwischenrufen greift er die möglichen Zweifel und Einwände unbedarft Lesender auf, wobei er sich nicht selten zu weit ausholenden Analogien verführen lässt.
Zur berühmten „Bindung Isaaks“ - im Christentum als „Opferung“, im Judentum als Abkehr vom Menschenopfer gedeutet – fällt ihm im „Zwischenruf“ nur ein, Gott habe Abraham auf eine Probe stellen wollen. Gott wird hier – wie übrigens im ganzen Buch - nicht als eine von Menschen erdachte mythologische Figur gesehen, sondern als handelndes Subjekt, das sich beginnend mit Abraham ein Volk erschaffen will, auf das er sich „blind verlassen … können muss“, damit das erhabene Projekt der moralischen Menschheitserneuerung nicht in die Binsen geht. „Aber auch dieser (nämlich Abraham) muss Gott blind vertrauen können, muss glauben, dass das, was Gott fordert, einen Sinn hat, auch wenn er diesen Sinn nicht durchschaut. Möglicherweise war sich Abraham von Anfang an sicher, dass er am Ende seinen Sohn nicht opfern muss. Aber um das herauszufinden, musste er sich darauf einlassen. Was aber, wenn nicht im letzten Moment ein Engel erschienen wäre? Dann wäre das ganze Unternehmen möglicherweise abgebrochen worden …“ und Christian Nürnberger hätte ein anderes Buch schreiben müssen. So aber kommt er vom biblischen auf die Vielzahl der weltlichen Opfer, zum Beispiel auf das millionenfache, „das Männer über Jahrtausende immer wieder gebracht haben, teils freiwillig, teils unter Zwang: das Opfer des eigenen Lebens, den Heldentod“, womit er die ursprüngliche Funktion der Opfergabe in der archaischen Kultur verfehlt, um weiter an der Oberfläche zu dümpeln. Denn auch „Manager opfern sich selbst und ihre Mitarbeiter im Kampf um Marktanteile, opfern auch ihre Familie und ihre Freunde, wenn sie sich mit Haut und Haar ihrem Unternehmen und ihrer Karriere verschrieben haben. Leistungssportler opfern ihre Jugend, manchmal sogar ihre Kindheit, oft ihre Gesundheit – für eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen, für Werbeverträge und materiellen Reichtum. Und nicht selten sind es die ehrgeizigen Eltern, die ihr Kind Monat für Monat ins Training treiben für den vagen Traum von Ruhm und Geld und den Wunsch, die eigenen unerfüllten Sehnsüchte zu befriedigen. Wir opfern die Umwelt für unseren Wohlstand, ein artgerechtes Tierleben für unseren Geiz, die Privatsphäre für unsere Bequemlichkeit. All diesen Opfern ist eines gemeinsam: Wir bringen sie nicht für Gott. Wir opfern heidnischen Göttern, die da heißen Macht, Ruhm, Ehre, Geltung, Geld, Sex.“ Hier nimmt der Autor die klassische Rolle des Predigers ein, der mit donnernder Stimme auf der Kanzel steht und die Schar der halbwegs Gläubigen zutiefst beschämt. Doch immer, wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, in diesem Fall ein Opfer, zu dem man „aus Gehorsam zu Gott genötigt sein kann. (…) Im Widerstand gegen Hitler das eigene Leben zu riskieren, war so ein Opfer, das Zehntausende von Menschen gebracht hatten. (…) Wie Isaak ans Holz gebunden wurde, so hatten sich die Widerstandskämpfer an unbedingte Werte gebunden, oder einfach, wie Dietrich Bonhoeffer, an Gott. (…) Und eben das ist die eigentliche Pointe der Geschichte von Isaaks Beinahe-Opferung. So wenig wie Gott Abrahams Opfer wollte, so wenig will er Helden, die für ihren Glauben sterben. Was er dagegen will, sind Verhältnisse, in denen es gar nicht erst so weit kommt, dass sich Helden opfern müssen. Und diese Verhältnisse stellen sich ein, wenn die Menschen bereit sind, sich so unter Gottes Willen zu begeben wie Abraham und Isaak.“(S.39/40)
So geht es quer durchs sogenannte Alte ins sogenannte Neue Testament mit einem Höchstmaß an moralischem Gewinn, bis wir es mit den „Acht Botschaften der Bibel“ beinahe geschafft haben. Im Nachwort allerdings, da werden wir noch einmal mit der Nase in den Dreck unserer eigenen „hässlichen Eigenschaften“ gestoßen. Sie „verschwinden nicht aus der Welt und aus den Menschen, entfalten aber keine zerstörerische Wirkung mehr, werden ausgeglichen, aufgehoben, auch korrigiert durch die Gemeinschaft der Gläubigen. Erfahren wird es nur, wer sich darauf einlässt. Das nennt man: Glauben. Davon erzählt die Bibel.“ (S. 235)
Hallelujah!
Wenn Christian Nürnberger etwas mit diesem Buch erreicht hat, dann den festen Vorsatz des Rezensenten, sich nie wieder auf die Rezension eines seiner Bücher einzulassen. Viele sind bereits erschienen, und weitere werden folgen, wird er doch, wie eingangs erwähnt, vom Gabriel-Verlag bei Thienemann-Esslinger als „hochkarätiger Autor“ vorgestellt, und diese Höhe gilt es im Sinne christlicher Werte wie Umsatz und Marktanteil zu halten.
Amen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von bf; Landesstelle: Bremen.
Veröffentlicht am 02.11.2020

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