Julia und der Hai

Autor*in
Hargrave, Kiran Millwood
ISBN
978-3-7432-1377-7
Übersetzer*in
Ernst, Alexandra
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
de Freston, Tom
Seitenanzahl
198
Verlag
Loewe
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Bindlach
Jahr
2023
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Sommerferien auf einem Leuchtturm? Warum nicht? Klingt spannend. Doch dann wird es ernst. Lebensgefährlich ernst. Ernst für die 10-jährige Protagonistin, für ihre Mutter und auch für ihren Vater.

Beurteilungstext

Dass die Shetland-Inseln irgendwo nördlich von Schottland liegen, weiß wahrscheinlich (fast) jede*r. Doch dass man dort auch Ferien machen kann oder muss, ist nicht so selbstverständlich. Julia soll dort mit ihren Eltern auf einem abgelegenen Leuchtturm ihre Sommerferien verbringen. Papa muss das Leuchtfeuer elektronisch aufmotzen und Mama will den Grönlandhai erforschen. Von ihm erwartet sie neue Erkenntnisse über eine mögliche Heilung von Demenz, da Haie sich angeblich langsam bewegen, sehr alt werden und somit ihren Alterungsprozess ebenfalls verlangsamen sollen. Julias Mutter ist eine angesehene Meeresbiologin und hat einen Forschungsauftrag von einer Universität. Doch diese Gelder sind nur für zwei Wochen bewilligt und nicht für zwei Monate. Und auch die teure Spezialkamera, die sie sich privat besorgt hat und das Boot, das sie anheuert und renoviert, muss privat bezahlt werden. Julias Mutter verliert sich in Niedergeschlagenheit, wenn die Uni keine weiteren Forschungsgelder bewilligt und gerät in absolute Hochstimmung, wenn sie das Boot oder die Kamera kaufen kann. Diese grenzwertigen Gefühlsausbrüche und dass Julias Papa ihre Mutter immer wieder an ihre Tabletten erinnert, lassen düstere Ahnungen aufkommen.
Auch für Julia ist der Aufenthalt nicht unkompliziert. Kin, ein Junge in ihrem Alter, wird zu ihrem Freund. Doch er wird von Gleichaltrigen gemobbt. Und so scheint auch diese Freundschaft auf wackligen Beinen zu stehen. Als dann Mama wegen einer Überdosis an Tabletten ins Krankenhaus muss, scheint alles in einem endlosen Chaos zu versinken.
Die Autorin hat mit ihrem Roman eine berührende Geschichte von einer Familie erzählt, die an der drohenden psychischen Krankheit der Mutter zerbrechen könnte. Bipolare Störungen scheinen das bisherige Familienleben zu sprengen. Einfühlsam und sehr behutsam werden die Leser*innen in die Gefühlswelt der handelnden Personen eingeführt. Julia will unbedingt ihrer Mutter helfen, da sie Schuldgefühle empfindet. Doch niemand kann ihr helfen. Kin, der gemobbt wird, wirkt hilflos und selbst die mobbenden Kids sind nicht so stark, wie sie immer vorgeben.
Eíne Lösung gibt es, als Julia alleine versucht den Hai zu finden, in einen Sturm gerät und im Meer versinkt.
Mag die Rettung in der Realität seltsam erscheinen, so ist es eigentlich eine psychische, eine symbolische Rettung und Wiederbelebung von Julia und letztendlich auch von ihrer Mutter.
Gekonnt spiegelt die Autorin den unendlichen Ozean in den unendlichen Weiten des Weltraums mit seinen Sternen, die Kin so faszinierend findet. Julia lernt beide Welten kennen und findet die Weite, die Unendlichkeit tröstend.
Diese Weite, die Unendlichkeit, die Freiheit von irdischen Karrieredenken ist das Hauptthema dieses Buches. Eine Freiheit, die selbst Demenz oder andere psychische Krankheiten für nicht mehr so wichtig erscheinen lässt. Eine Freiheit, die die Zusammengehörigkeit von Menschen in den Vordergrund stellt und damit auch psychisch Kranke integriert.
Ihre Sprache ist ist voll mit zarten Sprachbildern, mildern oft die Schwere des Textes und lassen beim Lesen staunen über die Mächtigkeit von Sprache.
Dazu hat de Freston, ihr Lebenspartner, großartige Illustrationen geschaffen., Sie sind verspielt, erinnern bei den Vogelschwärmen an den holländischen Graphiker M.C. Escher und ziehen bei den existentiellen Stellen des Romans den/die Betrachter/in in einen tiefen Bann. Allein diese Bilder 160 - 181) sind Kunstwerke, die auch Erwachsene beeindrucken. Hier verschmelzen Text und Bild zu einer Einheit. In Gelb und Schwarz sind seine Bilder gehalten. Schwarz steht für die Krankheit, den Stress, die Karriere und Gelb für die Überwindung dieser negativen Seiten.
Beide, Autorin und Illustrator, haben hier ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das am Ende in einem tröstlichen Bild endet: Schwarze Vögel fliegen einem gelben Vogel hinterher - nicht um ihn zu verfolgen, sondern um in eine helle Zukunft zu fliegen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 15.05.2023

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