Infernale, Teil 1

Autor*in
Jordan, Sophie
ISBN
978-3-7855-8167-4
Übersetzer*in
Brauns, Ulrike
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
380
Verlag
Loewe
Gattung
Ort
Bindlach
Jahr
2016
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
17,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Davys DNA enthält das Mördergen. Alle bisherigen Ziele ihres Lebens muss sie nun aufgeben. Sie war Musterschülerin auch mit besonderen musikalischen Talenten. Jetzt wird sie isoliert, überwacht und deutlich sichtbar tätowiert. Sie lebt und lernt nur noch mit anderen "Trägern" zusammen. Eltern, Freunde und Partner wenden sich ab, verraten sie. Ihre eigene Weltsicht erweist sich als unerfahren und unzureichend. Die Chance könnte ein Auswahllager sein. Sie kämpft mit neuen Freunden, Trägern.

Beurteilungstext

Sophie Jordan behandelt ein Thema, das in vielen Varianten sehr schnell politische Wirklichkeit werden könnte: Es wird nach Erklärungen gesucht, warum immer mehr Menschen zu Tätern werden und gesellschaftliche Regeln und Normen übertreten. Besonders für die Tatsache, dass - vor allem bereits junge Menschen - zu Mördern werden, möchte man schnelle Antworten und Erklärungen finden, um die Bevölkerung zügig durch Gegenmaßnahmen beruhigen zu können.
Aufgrund der Auswertungen von Statistiken und der Analyse der DNA von Tätern findet man die eindimensionale Lösung, dass alle Täter ein Mördergen in sich tragen. Die Lösung scheint eindeutig zu sein.
Nun muss nicht weiter geforscht und untersucht werden. Alle Menschen werden auf das Vorhandensein dieses Gens untersucht und zum Schutz der Gesellschaft aus den üblichen Gemeinschaften ausgegrenzt.
Dies trifft die bis dahin völlig unbescholtene und unauffällige Familie von Davy unvorbereitet. Seit ihrer Kindergartenzeit bereits gilt Davy als Autodidaktin in Bezug auf viele musikalische Fähigkeiten. Sie gilt als Kindergenie. Sie singt, komponiert, lernt in kürzester Zeit ohne Unterricht Instrumente. Sie ist ins Schulleben sicher und anerkannt eingebettet. Ihre Eltern fördern sie. Ihre Freunde achten sie und ihr Freund will sie heiraten.
Der Bruder hingegen machte den Eltern immer schon Probleme, ist aber kein "Träger". Er wird der einzige sein, der aus ihrem früheren Leben übrig bleibt und zu ihr steht.
Davy muss die Schule verlassen, verliert ihren Platz an einer Eliteuniversität und wird in Käfigen zusammen mit andren Trägern unterrichtet. Einer ihrer Mitschüler ist sogar deutlich erkennbar mit dem Zeichen des Gens als bereits gefährlich gewordener Träger tätowiert. Selbst Davy traut dieser Markierung. Sie hat Angst vor ihm, obwohl er sie interessiert.
Nach der politischen Eskalation durch einen Amoklauf von vorverurteilten Schülern wird sie in ein Lager gebracht. Dort soll sie umerzogen werden, um mit ihren Fähigkeiten den Regierenden irgendwann nützlich sein zu können. Sie trainiert und lernt mit 60 anderen speziell Begabten zusammen. Dies scheint die einzige Chance zu sein, vielleicht später einmal wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.
Ein Trost sind zwei Mitschüler, denen sie auf irgendeine Weise hofft, doch vertrauen zu können. Sie waren zuvor gemeinsam in der Sonderklasse untergebracht. Zu einem gab es damals bereits eine merkwürdige aber enge Beziehung. Er ist der Tätowierte. Sie fühlte sich von Anfang an zu ihm hingezogen, obschon er als Pflegekind einer völlig anderen sozialen Schicht, einem Stadtteil der Benachteiligten zugehörte. Der andere ist ein eher zurückhaltender besonders begabter Computerfreak.
Davy konnte sich bis jetzt keinem dieser Träger wirklich zugehörig fühlen, da sie selbst bis zur eigenen Zuordnung von den Maßnahmen der Regierung vollkommen überzeugt war.
Sie hatte den Tests völlig unkritisch geglaubt und den Versprechen, auf diese Weise so sicher wie möglich leben zu können. Die weiteren, für alle akzeptierte Voraussetzungen einbezogen, sich ansonsten an bestimmte Regeln zu halten: Leben in gesicherten Vororten, Umgang mit Gleichgesinnten, kein Aufenthalt alleine nach den Sperrstunden.
Sie lebte trotz ihrer vielen Begabungen sehr naiv und unreflektiert. Sie war umgeben von Menschen, Lehrern und sogar Eltern, die den angeblichen Fakten blindlings vertrauten. Keiner, der ihr nahe stand, stellte offenbar aufgrund angeblicher Fakten kritische Fragen.
Wie das Leben wirklich funktionieren kann, muss sie nun ohne Vorwarnung ganz schnell lernen. In Sean, der sich immer schon unbeschützt alleine durchschlagen musste, hat sie einen Ratgeber und bald einen Freund. Er beschützt sie unauffällig, indem er sich immer in ihrer Nähe aufhält und die Probleme offenbar schon lange vor ihr erkannt hat. Durch seine antrainierte Kraft und Ausstrahlung gelingt ihm dies zumeist ohne Zwischenfälle.
Davy muss Schläge ertragen, Intrigen und sich bald auf eigene Kräfte und Strategien verlassen. Sie wird in dem Lager - wie andere auch - unmenschlich gedrillt und kontrolliert. Sie muss ansehen, wie mit unliebsamen Mitschülern umgegangen wird. Außerdem ist sie dem Hass von tatsächlich aggressiven und gewalttätigen Menschen ausgesetzt. Kein Ausbilder kommt jemals zu Hilfe.
Schließlich wird sie nach Rollenspielen konkret vor die Wahl gestellt, entweder einen straffällig gewordenen Flüchtling zu erschießen oder zuzulassen, dass ihr Freund erschossen wird. Beide merken, dass ihre Gefühle füreinander zu einer ständigen Gefahr geworden sind und dass sie jeweils erpressbar sein werden.
Zusammen mit dem Computerfreak und einem erst kürzlich hinzugekommen Mädchen gelingt ihnen mit Hilfe von Außenkontakten die Flucht. Doch sie werden niemals draußen leben können, werden sich immer verstecken müssen.
Sie sind außerdem sichtbar markiert, ihre Anlagen werden überall als nachgewiesen gefährlich vorausgesetzt.
Sie müssen versuchen in ein ganz anderes Land zu fliehen, das bisher zumindest noch keine ausgrenzenden Zonen eingerichtet hat. Doch wie lange noch?

Diese dramatische Situation beschreibt Jordan mitunter nicht wirklich angemessen. Besonders dann wird ihre Sprache seicht, wenn es um die sich anbahnende Liebesbeziehung der beiden Protagonisten handelt. Auch dann, wenn die Gefahr greifbar nah ist. Das ist wenig glaubhaft.
Es mag angebracht sein, die Sprache dem eindimensionalen Denken des Mädchens anzupassen, das zunächst nur ihren Freund und Verehrer im Sinn hat und die mögliche spätere Beziehung. Da geht es offenbar viel um Äußeres, der Sitz der Haare oder die Beschreibung der Küsse, die aus Groschenromanen entnommen sein mögen. Es ist mehr als kitschig, wenn es um das eigene, bzw. beider Überleben geht. Da müssen sich auch die Sprache und die Reflexionsebene verändern (sofern es sich nicht um Ungenauigkeiten der Übersetzung handelt).
Die stellenweise oberflächliche Sprache macht es auch im Anfang fast unerträglich, an ein ernsthaftes Anliegen der Autorin zu glauben. Zum Glück geht sie in anderen Teilen des Textes sehr schnell auf die wirkliche Problematik ein. Aber die Beschreibungen der Gefühle bleiben leider immer floskelhaft.
Welche Leser sollen so bedient werden? Auch dann noch, wenn es um ernste Schwierigkeiten und Bedrohungen geht, bleibt diese Sprachwahl den Situationen unangemessen.
Dass Liebe und Zuneigung der einzige Trost sein können und dies etwas Unerwartetes, ja Ungewöhnliches sein kann, soll den Protagonisten und der Geschichte geschuldet bleiben. Aber muss es so erzählt werden? Entweder, die Situation ist wirklich so ausweglos oder, es ist nur ein übertriebenes Spiel. Das geht auf Kosten der Glaubwürdigkeit.
Doch verwendet die Autorin ja bei der Beschreibung der gesellschaftlichen und politischen Situation eine klare Sprache. Also stimmt etwas mit der Zeichnung des Charakters etwas nicht.
Nimmt ein Mädchen in solch einer Gefahr wahr, dass sie "… die blonden Locken zurück(wirft)……"? Eher nicht.
Außerdem ist der Verdacht dann nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Story nur benutzt wird. Dafür sind aber die Möglichkeiten viel zu real und zu gefährlich. Manche pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen in den heutigen Medien kommen bekommen durch Politiker sehr viel Aufmerksamkeit und einfache Lösungen ebenso.
Es ist dem zweiten Teil zu wünschen, dass er eine andere Sprache verwendet, oder, dass er den Gefühlen eine andere Dimension auch über die Sprache zubilligt. Die Charaktere werden sich hoffentlich entwickeln und reifen.
Das Buch macht durch sein bedrückendes Thema auf jeden Fall neugierig darauf, welche Lösungsansätze die Autorin für möglich hält.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 23.05.2016

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