Ich habe Angst vor diesem Mann

Schlagwörter

• Angst
• Gewalt
• Sexualität

Teaser

Feinfühlig und sensibel spricht Dumont eines der tiefgreifendsten Themen an, mit denen Kinder in Berührung kommen können: Es geht um die sexuelle Gewalt mancher Erwachsener gegenüber Kindern und deren Probleme, dies zu verarbeiten.
Sophie ist acht Jahre alt und wird eines Tages von einem Exhibitionisten bedrängt. Das sonst selbstbewusste Mädchen verliert jegliches Vertrauen in die Menschen. Erst im offenen Dialog mit ihren Eltern, den Lehrern und ihren Mitschülern überwindet sie ihre Angst.

Beurteilungstext

Bereits im Vorwort wird die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Kernaussage der Erzählung gelenkt: "Die Stärke des Buches liegt darin, dass es Kindern hilft, über ihre Nöte und Sorgen zu sprechen, und Erwachsene auffordert, zu lernen, selbst die heikelsten Fragen zu beantworten."
In zwei miteinander verbundenen Geschichten wird erzählt, wie derartige Dialoge zwischen Kindern und Erwachsenen ablaufen können, die mit sexueller Gewalt in Berührung gekommen sind. Ausgangspunkt sind die Erlebnisse der achtjährigen Sophie, die auf dem Heimweg von der Schule von einem Exhibitionisten überrascht wird. Interessant und beängstigend zugleich ist, dass der Leser von Beginn an Einblick in die Gedankenwelt des Mädchens nehmen kann. Ihm wird es auf diesem Weg möglich, aus der Sicht des Kindes mitzuerleben, wie aus der fröhlichen und unbeschwerten Sophie ein Mädchen wird, die von Ängsten und Unsicherheit gequält wird.
Aber auch die Sichtweise der Erwachsenen wird nicht ausgespart. Der Leser kann nachvollziehen, welche Sorgen sich diese machen und wie sie versuchen, mit den Kindern gemeinsam die Erlebnisse zu verarbeiten. Dabei wird an keiner Stelle die Ernsthaftigkeit der Thematik außer Acht gelassen. Auf einen belehrenden Charakter wird jedoch verzichtet. Der Leser spürt, wie unwohl sich die Protagonistin fühlt, als diese ihren vielen Fragen Luft machen möchte. Das Unbehagen verschwindet aber bald, als deutlich wird, dass auf alle Fragen eine ehrliche Antwort gesucht wird, auch wenn nicht immer eine Lösung gefunden werden kann. Belastende Begriffe wie sexuelle Aggression oder Trauma werden dabei nicht ausgespart, sondern in eine kindgerechte Sprache übersetzt.
Die im Stil von Buntstiftzeichnungen gehaltenen Bilder der Illustratorin Madeleine Brunelet zeigen Momentaufnahmen der im Text beschriebenen Geschehnisse und unterstützen deren Aussage, ohne dabei neue Elemente hinzuzufügen. Auf ästhetisch ausgereifte Details wird verzichtet. Es dominieren eine gerade Strichführung sowie eine klare, in Pastelltönen gehaltene Farbgebung. Der Interpretationsschwerpunkt bleibt beim Text.
Im siebten Kapitel wird mit dem ebenfalls achtjährigen Jan eine männliche Hauptfigur der Erzählung hinzugefügt. Ohne Umschweife verrät der Text, dass auch Jungen von sexueller Gewalt betroffen sein können, worauf hin sich Jan nun um die enge Beziehung zu seinem Onkel sorgt. Wer meint es gut? Wer will einem etwas Schlechtes? Jans Fragen bekommt auch der Leser zunächst nicht beantwortet. Wieder wird die gemeinsame Aussprache als die erste Lösung für das Problem angepriesen.
Obwohl die Dialoge zwischen den Kindern und den Erwachsenen manchmal etwas überzogen und aus der Sicht der Erwachsenen erwünscht wirken, verliert die dahinter stehende Aussage nicht an Wirksamkeit. Im gemeinsamen Gespräch über das Buch finden der kindliche Leser und sein erwachsener Begleiter sicher ihren eigenen Weg, um über derart heikle Themen ins Gespräch zu kommen. Das Buch kann helfen, hier einen Anfang zu finden.