Hugo - und die Legende von Burg Drachenhügel

Autor*in
Kaplan, Max
ISBN
978-3-95728-544-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kaplan, Lev
Seitenanzahl
40
Verlag
Knesebeck
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
18,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das „Vorlesebuch“ wird bereits für Vierjährige empfohlen. Der hochdekorierte Rabe Hugo erzählt dem Enkel die Geschichte des Landes. Mit Hilfe seiner Tierfreunde besiegte er die aggressiven Feinde Königin Lucias. Text und Bilder - gemalt in mittelalterlicher Manier - beschreiben keine Legende. Die Erzählung vom klugen Erfinder des Feuer- Drachens, die großartigen Bilder und die versteckt transportierten Aussagen sollten getrennt beurteilt werden. Es ist auch die Geschichte eines Kriegs.

Beurteilungstext

Max Kaplan unterstellt mit seinem Untertitel, dass es sich bei der Geschichte um eine „Legende“ handelt. (Es lässt sich jedoch weder eine „Burg Drachenhügel“ noch ein Königreich finden, das von Lucia regiert wurde. Sie herrscht über „Lucialand“. Ihr wird über den Raben im Text zugesprochen, dass sie „Wohlstand und Frieden über unser Königreich“ brachte und „ … jeder, egal ab groß oder klein, auf ihr Wort (vertraute)“.
Anm.: (Bezüge gibt es möglicherweise zu Lucia, der Lichterkönigin (Skandinavien, katholische Heilige), die aber nicht nach weltlicher Macht suchte und zu u.a. Rabenmythologien. In Überlieferungen haben Könige die Weisheit, Intelligenz und Flugfähigkeit der Raben genutzt.)
Die mächtigen bösen Angreifer gehören zu Rudolf. (Ob ein historischer Rudolf gemeint sein könnte, geht aus dem Buch nicht hervor.) Er vertritt das Gebiet „Rudolfsburg“ und will mit seiner Armee das fremde Land vereinnahmen.
Vor einer Landkarte stehend schmiedet Rudolf offenbar den Plan zur In-Besitznahme von Lucialand. Seine Hände krallen sich zusammen, während er auf das angestrebte Ziel blickt. Ein Hofnarr, mit dem Gemälde von „Rudolf I“ in der Hand, sitzt eher gelangweilt neben ihm auf dem Sims. Die Kappe verdeckt seine Augen.
Raben, deren Intelligenz oft unterschätzt wurde, werden zu den entscheidenden Protagonisten. Sie sind bisher nur die, die die Schriftrollen mit den Botschaften überbringen, also „Postraben“. Voraussetzung war die vorherige Aufnahme in einer Akademie. Einer der Raben, Hugo hatte nicht nur dies zum Ziel. Er hatte noch Größeres vor, er träumte davon, berühmt zu werden. Bisher entwarf und baute er nur Maschinen.
Als der lange Frieden im Reich von Königin Lucia vom machthungrigen König Rudolf hinterhältig bedroht wird, stürzt ein Postrabe mit wichtigen Nachrichten für Lucia ab und fällt auf den Hof des Schlosses bei den Tieren (u.a. Hund, Katze, Huhn, Schwein, Ziege, Schnecke, Grille? und Rabe). Einige von ihnen haben rüstungsähnliche Accessoires oder königliche Kappen.
Der Postrabe hat die Feinde nah bei der Burg gesehen und weiß, dass nur noch ein Drache die Armee Rudolfs wird aufhalten können. Dies wollte er Lucia so schnell wie möglich übermitteln. Doch die Greife (hier „Raubtiere“), Rudolfs Jäger, blockierten den Luftraum. Eine Doppelseite zeigt den Angriff der gerüsteten Adler, die mit ihren Krallen dem Raben zusetzen. Hugo entwickelt den Plan, eine Maschine zu konstruieren, die wie ein echter Drache wirken soll.
Alle domestizierten Haustiere sind bereit, ihm zu helfen. Obwohl sie Hugos Plan zuerst für verrückt halten, packen sie mit an. Sie beweisen alle große Geschicklichkeit im Umgang mit den Werkzeugen. Zum Schluss verzurren sie noch die Seile der roten Tuchbahnen mit den Drachenflügeln an der Konstruktion. Damit der Drache Feuer speien kann, entzünden sie eine große Schale voller Kohle. Der Hund hinter ihr bedient einen Blasebalg. Eine winzige Schnecke - mit Rüstungshelm -, die in den Zeichnungen immer wieder auftaucht, beteiligt sich beim Pusten. Offenbar sind sich alle Tiere hier einig und setzen alle Kraft für den genialen Plan ein.
Die Täuschung gelingt. Die hochgerüsteten Soldaten geraten in Panik, als sie den feuerspeienden Drachen sehen und fliehen Rudolf hinterher, der zuerst losrennt.
Lucia zeichnet alle Tiere „für ihren Mut und Einfallsreichtum“ aus. Hugo bittet darum, nun Postrabe werden zu dürfen. Lucia hat sein viel bedeutenderes Talent bereits erkannt und ernennt ihn zum „königlichen Ingenieuren“, der fortan alle Maschinen und Geräte ihres Reiches bauen darf.
Nun erkennt der kleine Rabenjunge, dass der Großvater auch seine eigene Geschichteerzählt hat. Damit endet der erzählte Text, der zusammengefasst nur einen kleinen Teil der Seiten einnimmt. Den umfangreicheren Teil stellen die Bilder dar.
Die Erzählung der Bilder beginnt mit dem ersten Titel des Einbandes und einem zweiten, das innen die Einleitung bildet:
Aus der Ritterrüstung des Titels schaut ein verschmitzt schauender, noch junger Rabe heraus. Er trägt eine mittelalterliche Kappe. Stolz lächelnd halten seine Flügel eine versiegelte Botschaft in einer Schriftrolle. Im inneren Titelbild der Erzählung dagegen schaut ein Kind aus dem Helm einer Rüstung, dessen Visier in Form des Rabenschnabels gestaltet ist.
Die von Lev Kaplan gezeichneten Bilder haben ein großes Gewicht im Buch. Die oft doppelseitigen prächtigen bunten Zeichnungen sind akribisch ausgestaltet. Manche Darstellungen wären auch in Sachbüchern denkbar.
Mittelalterlich anmutende Gewänder und Rüstungen sind bis in kleinste Details des Faltenwurfes gestaltet. Schatztruhen, königliches Beiwerk am Thron der Königin, Postrollen und Bauwerke, Fahr- und Werkzeuge scheinen historischen Bild- oder Teppichvorlagen entlehnt zu sein. Die Tiere, als eine große Gruppe der Protagonisten, sind bis in ihre Fell-Strukturen und den Ausdruck ihrer Köpfe fein ausgearbeitet. Sie tragen Accessoires, die in die Zeit passen und sie als dem Hof zugehörig erkennen lassen. Ihre Köpfe und Auch die Skizzen zum Modell des Drachens erinnern beim ersten Durchblättern sofort an solche des Mittelalters.
Das Lichtspiel der Kerze vor dem aufgespannten Dokument ebenso. Hier schon trifft den Raben ein gülden anmutender Lichtschein, der seinen baldigen Ruhm bereits vorwegnimmt.
Die Armee kommt in präzise gezeichneten eisernen Rüstungen, ihren Schwertern und der königlichen Ausstattung, ebenso prächtig daher. Die Soldaten marschieren mit großen blau-gelben Wappen auf den Schilden auf. Blau-gelbe Fahnen begleiten die Reiter, um einer befreundeten Macht zu helfen.
Die Armee des Gegners marschiert in Verbänden vor dem Schloss auf. Sie sind von der Schlossmauer aus zu erkennen und offenbar ebenso gut ausgestattet. Zelte und Feldküche sind aufgebaut, eine riesige Schleuder ist auf die Schlossmauer ausgerichtet. Sachbuch
Mit der blau-gelben Fahne im Hintergrund beobachtet der ganz in eine Rüstung gekleidete alte Vogel, mit dem jungen Raben mit Tuchkappe (und einer in Rüstung steckenden bewaffneten Schnecke), den sich formierenden Aufmarsch. In Großdarstellungen sind die Gesichter mancher Kämpfer und des Angreifers zu sehen. Sie lassen wenig Gutes erwarten. Ein Mönch ist bei ihnen, ein Kaufmann und ein völlig unter einem Harnisch versteckter, unkenntlicher Kämpfer. Der Boden ist mit Teppichen belegt, worauf Wappen zu erkennen sind. Symbole des Adlers schmücken Helme, Fibeln, Broschen und die Kette des Mönchs. Das alles sehen Rabe und Schnecke, als sie die Angreifer im Zelt belauschen konnten.
Das nächste Bild, die kämpfenden Adler, der abgestürzte Rabe mit den Tieren des Hofes. Die Planung der Verteidigungsintrige – an Troja erinnernd – beginnt mit einer doppelseitigen Skizze. Sie endet mit einem feuerspeienden riesigen Holzdrachen über der Schlossmauer. Seine weiten Flügel leuchten feuerrot und die schreckensweiten Augen der Soldaten, die trotz der guten Rüstungen vor dem Drachenmonster in Panik ausbrechen, sind den Betrachtern zugewandt .
Soll dies mit Vierjährigen besprochen werden?
Was vorgelegt wird, ist keine an historische Überlieferungen angelehnte Legende. Die Legendenbildung soll möglicherweise mit dem Buch beginnen. Dass sie so verdeckt wird und als ein für kleinste Kinder konzipiertes Bilderbuch daherkommt, ist für die Rezensentin extrem störend. Im Buch werden in Text und Bild Kämpfer entweder wie Helden ausgezeichnet, oder andere undifferenziert vorgestellt.
Wann solche Bilder und Texte Kindern zugemutet werden sollten, müssen Eltern oder Lehrer entscheiden. Eine der Ebenen ist die Erzählung des klugen Raben, eine andere die von Angriff und Verteidigung, weitere sind z.B. Mittelalter, Kunst, Symbolik und Legendenbildung. Es geht um Kriegsparteien, um die Perspektiven der Darstellung und spätere Überlieferungen. Darüber müsste eine Debatte geführt werden.
Dies ist ein Buch für viel ältere Kinder, Heranwachsende oder erwachsene Sammler. Sie erst könnten Metaphern, Symbole, historische und kulturelle Anspielungen deuten: Wer oder was z.B. symbolisiert die Schnecke, den Adler, die Raben, die Aufstellung der Truppen, die Namen der Königreiche hier? Was ist ein Kern von Legenden, wer erzählt sie, warum, mit welcher Gewichtung und welchen Auslassungen? Welchen Hintergrund gibt es zu den Autoren?
Bilder prägen wie Sprache die Weltsicht. Es sollte nicht mit kleinen Kindern erprobt werden, was davon irgendwann wirksam wird.

Die Bilder von Lev Kaplan sind große Kunst, überragend und auf jeden Fall lohnend zu betrachten und zu studieren. Es ist kein Bilderbuch für kleine Kinder, kein Vorlesebuch. Die Zeichnungen lohnen sich, um sie im Kunstunterricht mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu studieren. In höheren Klassen kann im Deutschunterricht über Legenden und ihre Strategien gesprochen werden. Ebenso könnte über die Botschaften von Bildern reflektiert werden oder Einsatz von Bilderbüchern (in allen Facetten) einschließlich eigener Bild- und Leseerfahrungen, Aufbau von Weltbildern, etc.

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Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 06.05.2023

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