Hannas Regen

Autor*in
Kreller, Susanne
ISBN
978-3-551-58475-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
192
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Roman beschreibt die schwierige aber innige Freundschaft zwischen den beiden Teenagern Josefin und Hanna. Hanna taucht im strömenden Regen auf und wird in der Schule neben Josefin gesetzt. Hanna birgt ein Geheimnis und ist sehr zurückhaltend. Als sich die Mädchen nach einigen Monaten endlich nähergekommen sind und Hanna an Josefins Familie Anschluss gefunden hat, verschwindet sie wieder im Regen.

Beurteilungstext

Josefin wird auf ihrem Schulweg zum ersten Mal auf Hanna aufmerksam, als diese im strömenden Regen und ohne Schutz rücksichtslos durch die Pfützen stampft. Zu Josefins Überraschung kommt dieses tropfnasse Mädchen in ihre Klasse und wird von der Lehrerin neben sie gesetzt. Josefin erzählt die Geschichte der nun beginnenden Freundschaft ganz aus ihrer Sicht. Sie sieht sich selbst als das langweiligste Mädchen in der Klasse. Doch ihre Lehrerin schätzt ihre Zuverlässigkeit und geht davon aus, dass sie der Neuen beim Eingewöhnen hilft. Das ist nicht einfach, denn Hanna redet fast nichts und gibt nichts über sich oder ihre Familie preis, obwohl die Mädchen täglich eine Strecke des Schulwegs gemeinsam gehen. Und Hanna hat seltsame Eigenheiten. Sie reagiert nicht, wenn man ihren Namen ruft, sie schreit in Panik, wenn es im Chemie-Unterricht knallt oder sich ein Polizist ins Klassenzimmer verirrt, und sie schleppt ständig ein zerfleddertes Buch mit sich herum, das den Titel „Gotische Kirchen bei Lichte besehen“ trägt. Sie trenne sich nie davon, gesteht sie Josefine später, denn es sei ihr einziger Besitz. Aber Josefine spürt, dass Hanna Angst hat und dass sie in Gefahr ist und entwickelt unbewusst einen Beschützer-Instinkt. Zufällig wird Hannas Mutter die neue Kollegin in der Firma in der Josefins Mutter arbeitet. Auch sie wundert sich über das unpersönliche, ja abweisende Verhalten dieser Frau. Da Josefins Mama eine begeisterte Hobby-Detektivin ist, schließt sie aus dem Verhalten von Mutter und Tochter, dass die beiden wohl eine falsche Identität haben, ja, womöglich in einem Zeugenschutzprogramm leben. Josefin hingegen lebt in einer fröhlichen und toleranten Familie mit Eltern, ihrem jüngeren Bruder Carlo und ihrer Oma, die etwas entfernt wohnt. Jedes Familienmitglied hat so seine Eigenheiten, die Josefin meist als „peinlich“ empfindet. Ihr Papa besteht auf dem altmodischen Festnetz-Telefon, wo er sich stets mit einem Fantasienamen meldet, und ihre Oma trägt eine blau umrandete Brille und sieht 15 Jahre jünger aus als sie tatsächlich ist. Die Mama veranstaltet regelmäßig eine „internationale Woche“, indem sie die Spezialitäten eines entfernten Landes kocht, was genauso regelmäßig misslingt. Als Hanna davon erfährt, möchte sie unbedingt einmal dazu eingeladen werden. Sie lernt auch Josefins etwas schrille Oma kennen, in deren Gartenhaus sie einmal Zuflucht sucht. Das erste internationale Essen verläuft chaotisch und unter großem Gelächter. Doch dann wird Hanna von ihrer zornigen Mutter abgeholt, denn die Tochter soll „keine Kontakte“ haben. Dennoch gibt es ein zweites, diesmal ein ägyptisches Essen. Obwohl Hanna erst zum zweiten Mal zu Besuch ist, fühlt es sich für alle an, als gehöre sie schon lange zur Familie. Immer wieder kommt Hanna verweint in die Schule. „Versprich mir, dass ich zu jeder internationalen Woche einmal kommen darf“, bittet sie Josefin. Und: „… Das Essen würde mir fehlen, deine Familie würde mir fehlen, du“. Zur dritten Einladung, zu der auch die Oma eingeladen ist, erscheint Hanna nicht. Als nach langem Warten das Festnetz-Telefon läutet, ist es Hanna, die absagt. Josefin ist sauer und die beiden streiten sich. Als sie später vor die Haustür tritt, um den Mülleimer hinaus zu stellen, findet sie auf der Fußmatte Hannas einzigen Besitz: das zerfledderte Buch. Sie versteht, dass dies ein Abschied ist. Im strömenden Regen rennt sie zu Hannas Haus, das von Polizeiautos umstellt ist. Doch die Familie ist geflüchtet, die Eltern hatten in der Firma der Mutter „Hunderttausende“ unterschlagen, wie Josefine jetzt erfahren muss. Bis zu diesem dramatischen Ende entwickelt sich der Roman sehr ruhig und, abgesehen von Hannas Panik-Momenten, wenig aufregend. Was ihn aber so überaus lesbar und auch spannend macht, ist die Art und Weise, wie Josefin ihre Erlebnisse mit der geheimnisvollen und recht schweigsamen Hanna berichtet. Josefin ist selbst ein sehr stiller und introvertierter Teenager, und vielleicht versteht sie sich deshalb so gut mit Hanna. Oft reden sie auf dem Schulweg überhaupt nicht miteinander, und doch fühle sich das Schweigen gar nicht peinlich an, sagt Josefin einmal. Sie spürt, dass Hanna Angst hat und irgendwie in Not ist. Sie versucht, sie zu beschützen, oft ganz spontan, und muss dann eine Enttäuschung oder pampige Antwort von Hanna einstecken. All diese Beobachtungen aus dem Alltag der beiden erzählt Josefin mit präziser Beobachtungsgabe und großem Einfühlungsvermögen. Mit viel Ironie und feinem Humor schildert sie aber auch viele kleine Szenen aus ihrem familiären Alltag. Die Autorin Susan Kreller verleiht ihr dazu eine Sprache, die einem Teenager entspricht, die niemals vulgär ist und oft fast poetisch ausfällt. Es ist Erzählkunst vom Feinsten, wenn Josefine einen Regenschauer oder die ersten Anzeichen vom beginnenden Frühling beschreibt. Alles was Josefin berichtet, lässt beim Lesen sofort „Kino im Kopf“ entstehen. Man wird in die Gedankenwelt der beiden Mädchen förmlich hineingezogen. Selbst als Monate nach dem Verschwinden Hannas immer mal wieder bei Josefins Familie das Festnetz-Telefon läutet und nur ein langes Schweigen „zu hören“ ist, weiß man, was hier stumm vermittelt wird. Dieser Jugendroman sagt viel zum Thema Freundschaft, Toleranz und Hilfsbereitschaft und ist unbedingt zu empfehlen.

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Diese Rezension wurde verfasst von gem; Landesstelle: Baden-Württemberg.
Veröffentlicht am 23.01.2023

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