Goldene Steine

Autor*in
Franz, Cornelia
ISBN
978-3-551-58517-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
222
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2024
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Junge wird von zwei Neonazis zusammengeschlagen, ein Junge jüdischer Abstammung, erfährt später ähnliches Schicksal und ein Mädchen wird mit Stolpersteinen konfrontiert. Zufälligerweise lernen sich diese drei Jugendlichen kennen und werden Freunde. Ein Roman über die Taten von Neonazis und über den Wert von Freundschaft.

Beurteilungstext

Zwei Erzählstränge auf einem breiten Hintergrund kennzeichnen den neuen Roman von Cornelia Franz.
Da ist das Motiv des Rechtsextremismus in Form von Gewalt gegen jüdische Mitbewohner:innen. Leon hat aus einer Bierlaune heraus einem Mann in Frankfurt seine Kippa vom Kopf geklaut und mitgenommen. Irgendwann hat er sie zu Hause in Hamburg - ohne die Bedeutung zu wissen - aufgesetzt und ist von zwei Neonazis verprügelt worden. Nikolai, der wirklich Jude ist, wenn auch nicht sehr religiös, begreift, dass dieser Anschlag eigentlich ihm gegolten haben muss. Aber auch er entgeht den rechten Jugendlichen nicht und wird zweimal krankenhausreif geschlagen. Und Yara, die fast Vierzehnjährige, kennt Stolpersteine von ihrer früheren Wohngegend in Hamburg und weiß ein bisschen was von einer früheren Mitbewohnerin dieses Hauses, die als Kind während der Naziherrschaft verschleppt worden ist.
Das zweite Motiv ist das der Freundschaft. Die drei Jugendlichen haben unterschiedliche soziale Heimatinseln. Leon wird der Erbe eines Modegeschäfts sein, das seine Urgroßeltern "damals" von einer jüdischen Familie "übernommen haben". Nikolai ist Jude, aber nicht sehr religiös. Er spielt begeistert Fußball. Und Yaras Eltern sind von einem wohlhabenden Hamburger Viertel in ein Hochhausviertel gezogen, da Yaras Mutter berufsbedingt ein Jahr in Frankreich arbeitet und sie somit eine deutlich billigere Wohnung gefunden haben. Diese drei Jugendlichen werden Freunde - ohne verliebt zu sein, wie sie immer wieder betonen. Sie vereint die Ablehnung und der Abscheu von Gewalt, speziell gegen Juden. Gemeinsam wollen sie die Hintergründe für die Schlägereien der Neonazis aufdecken, gemeinsam drängen sie darauf, dass die Polizei sich mehr engagiert, besuchen sich in Krankenzimmern und fahren zusammen nach Frankfurt. Dort erleben sie eine warme Nacht an den Mainufern mit Musik, Weinflaschen, Joints und Gesprächen. Und Yara erlebt, dass ihre beiden Freunde mit ihr zu ihrer früheren alten Nachbarin nach Hamburg fahren, die im Sterben liegt.
All dies geschieht auf dem Teppich der Zeit. Panta rhei - alles fließt. So kann man Heraklits (535 - 475 v. Chr.) Philosophie zusammenfassen. "Niemand kann zweimal in den gleichen Fluss steigen, denn alles fließt und nichts bleibt." Das ist eine etwas erweiterte Fassung von Heraklit. Fast wortgleich beendet Cornelia Franz ihren Jugendroman mit den Sätzen "Denn immer war etwas in Bewegung, immer veränderte sich was. So wie der Fluss , auf den sie schauten, immer der selbe und doch nie der gleiche war. Das Leben ging weiter, so lange, bis es zu Ende war." (S. 222).
So weit so gut. Ein wunderbarer Roman über Freundschaft und über die Probleme mit rechten Jugendlichen.
Doch schaut man genauer hin, so öffnen sich in der Erzählung Risse, Brüche klaffen auf und Fragen müssen gestellt werden.
Leon, der knapp sechzehnjährige Gymnasiast, weiß nichts von einer Kippa. Er meint, dies sei ein Käppi, wie es viele tragen. Ist Leon so weltfremd, dass er diese Kopfbedeckung nicht erkennt? Gut, er war damals in Frankfurt alkoholisiert, aber später trägt er sie offen in Hamburg, ohne angeblich zu wissen, dass dies eine Kippa ist. Das ist schwer nachzuvollziehen.
Dass die Fahrt in die Schweiz nicht stattfinden kann, hätten Leons Eltern auf alle Fälle mit Yaras Vater kommunizieren müssen, da sie erst knapp vierzehn Jahre alt ist. Und warum lässt Yaras Vater seine Tochter ohne Erlaubnisdokument in die Schweiz fahren? Auch das ist nicht nachvollziehbar.
Und warum sollten die drei Jugendlichen auf dem Frankfurter Bahnhof jenen Mann finden, dem Leon die Kippa geklaut hat?
Die drei erleben eine wunderbare Nacht an den Mainufern. Das ist eine schöne Jugenderinnerung von Erwachsenen an jene Zeit von damals, ein Klischee. In der Realität kontrolliert die Frankfurter Polizei in warmen Sommernächten diese Ufer des Mains, um das Drogenproblem etwas unter Kontrolle zu haben.
Und warum fragt die Polizei in Frankfurt die drei Jugendlichen nicht nach ihren Ausweisen, als sie ihnen frühmorgens begegnen? Das wäre Realität. Aber so lassen sich die Polizisten mit billigen Ausreden abspeisen.
So mischen sich in diesem Roman wunderbare Freundschaftsmomente und wichtige Antinazi-Aussagen mit konstruierten Passagen. - Schade.
Abschließend hätte es dem Roman gut getan, wenn in einem Glossar jüdische Begriffe kurz erklärt worden wären, so z.B. Chanukka, Sederabend, ....
Trotzdem ist es ein wichtiger Roman zum Thema Freundschaft.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 01.03.2024