Es ist doch schön, nackt zu sein...

Autor*in
Haine, Rosie
ISBN
978-3-95939-214-3
Übersetzer*in
Hölker, WolfgangBögelsack, Kathrin
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Haine, Rosie
Seitenanzahl
40
Verlag
Bohem Press
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
Zürich
Jahr
2022
Lesealter
0-3 Jahre4-5 Jahre6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiVorlesen
Preis
18,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„...denn jeder Körper ist ein Wunder.“ Ein Buch, das dazu auffordert, den nackten Körper zu zelebrieren und ihm achtsam und staunend zu begegnen.

Beurteilungstext

Rosie Haine versammelt in diesem Bilderbuch viele wunderschön aquarellierte Körper-Illustrationen. Manch ein Körper füllt eine ganze Doppelseite aus, auf anderen tummeln sich kleinere Darstellungen bestimmter Merkmale oder Körperpartien und werden kontrastreich einander gegenübergestellt. Die Farbigkeit erstreckt sich von Blassrosa über helles Gelb und zartes Lila bis hin zu Orange/Rot und unterschiedlichen Braun-Nuancen.
Den grafischen Stil von Rosie Haine würde ich als Mischtechnik bezeichnen. Die Körper/Köpfe/Pos/Arme etc. hat sie mit einem großen Pinsel und lasierender (Aquarell)Farbe gemalt, sodass es innerhalb der Körper wie zufällig entstandene Schattierungen gibt. Details wie Gesichter, Haare, Falten, Zehen, Finger etc. wurden mit Buntstiften hinzugefügt. Dadurch wirkt das Dargestellte nicht foto-realistisch, sondern wie ein Blick in ein Skizzenbuch einer sehr geübten Aktzeichnerin, die stilsicher und gleichzeitig sehr malerisch den Körper der Aktmodelle zu erkunden scheint.
Die dargestellten Menschen/Körperpartien sind mal klein, mal groß, voluminös, knochig, haarig bis haarlos, tätowiert, vernarbt, gefleckt, faltig, glatt, alt, jung, mal fehlt ein Körperteil, mal ist eine Prothese mit dabei. Eine Person, die ich als weiblich lese, ist mit nur einer Brust (Zustand nach Mastektomie) abgebildet, diese Vielfalt in der Darstellung gefällt mir gut. Was mich ein bisschen stört, ist, dass es nur Menschen in diesem Buch gibt, die entweder eine Vulva (und dann auch Brüste) oder einen Penis haben. Das Geschlecht variiert auch nicht großartig in Ausformung oder Größe, sondern ist immer eher schematisch und skizzenhaft dargestellt (das ist aber auch irgendwie der Technik und dem Stil der Illustratorin geschuldet und das Thema Geschlechterdiversität scheint hier auch nicht im Fokus zu stehen). Gleichwohl fände ich es schön, wenn ein so ästhetisches Buch, das zur Selbstliebe und -achtung aufruft, eben auch ganz selbstverständlich Geschlechternormen und -abbildungen kritisch hinterfragen würde.

Die Textebene bekomme ich als Betrachterin nicht so richtig mit der Bildebene zusammen. Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, dass ich die begleitenden Sätze/Überschriften teilweise überflüssig finde. Sie beschreiben das, was die Leser:innen visuell wahrnehmen und bieten meiner Meinung nach keinen großen Mehrwert. Mit dem Satz: „Ein Penis ist nicht albern und wer eine Vulva hat, kann stolz drauf sein“, kann ich persönlich nicht viel anfangen. Auch finde ich hier, dass der Text eine „entweder/oder“ - Situation schafft, die ich kritisch bewerte. Denn wie fühlt sich ein nicht-binärer Mensch an dieser Stelle? Oder ein Mensch, der eine Dysphorie (keine bzw. unzureichende Passung zwischen Körper und Identität) empfindet? Es stellt sich mir auch die Frage, an wen sich das Buch eigentlich wirklich richtet. An Erwachsene, die ihre Körperscham überwinden wollen/sollen? Meines Erachtens möchte das Buch explizit Kinder ansprechen und ich bin mir nicht sicher, ob es so viele (kleinere) Kinder gibt, die ein Problem mit Nacktheit haben. Deshalb erscheint mir auch der letzte Satz im Buch: „Nackt – was soll´s? Sei doch stolz!“, zumindest diskussionswürdig zu sein. Denn nicht in jeder Alltags-/Lebenssituation ist Nacktheit unbedingt angebracht und Themen wie körperliche Selbstbestimmung und/oder das Recht auf Intimität halte ich für mindestens genauso relevant.

Auf der Rückseite wird dieses kunstvolle Bilderbuch übrigens mit den Slogans „Ein mutiges Buch für engagierte Eltern“ und „Das Body-Positivity-Bilderbuch der TATE (Gallery)“ beworben. Und vielleicht offenbart es damit auch schon seinen wahren Charakter: Es beinhaltet wunderschöne und qualitativ hochwertige (Akt)Zeichnungen, denen ein Text zur Seite gestellt wurde, der für Kinder empowernd sein soll und für "engagierte" Eltern einen Kaufanreiz schaffen will. Diesen pädagogischen Anstrich hätte es meiner Meinung nach aber gar nicht gebraucht. Ich würde es mir lieber als Kunstbuch oder Bilderbuch ohne Text ins Regal stellen und bräuchte das ganze intendierte Drumherum nicht.

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Diese Rezension wurde verfasst von nico; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 08.02.2023

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