Eiskalter Tod. Unfall oder Verbrechen?

Autor*in
Leake, John
ISBN
978-3-7017-3305-7
Übersetzer*in
Dedekind, Henning
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in / Sprecher*in
Umfang
262  Minuten
Verlag
Residenz Verlag
Gattung
Digitale Medien
Ort
St. Pölten, Austria
Jahr
2013
Alters­empfehlung
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
21,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Leake erzählt in dieser dokumentarischen, mit detektivischer Präzision recherchierten Reportage die unglaubliche Geschichte eines ungelösten Verbrechens in den österreichischen Alpen: 1989 verschwindet ein junger Mann am helllichten Tag von einer Skipiste und trotz des verzweifelten Engagements der Eltern wird nicht ermittelt. Auch nicht, als 2003 die Leiche im Eis gefunden wird. Leake und die Eltern versuchen mit diesem Buch eine Antwort auf die Frage Unfall oder Verbrechen zu finden.

Beurteilungstext

Der für seine aufsehenerregende Dokumentation über den österreichischen Serienmörder Jack Unterweger bekannt gewordene US-Amerikanische Autor, freie Schriftsteller und Journalist John Leake wird 2009 von den Eltern des kanadischen Eishockey-Profis Duncan MacPherson gefragt, ob er über den ungelösten Fall ihres Sohnes schreiben wolle. Er zögert zunächst, wenngleich er den nicht vergehen wollenden Schmerz und die Trauer der Eltern nachvollziehen kann: ""Für Lynda und Bob waren all diese Jahre, in denen sie nicht gewusst hatten, was ihrem Kind zugestoßen war, zu einer ganz eigenen Form der Hölle geworden"". (S. 133) Eigentlich hat er gerade das Jahrzehnt in Österreich und sein Buch abgeschlossen und sich geschworen, ""nie wieder so eine vertrackte österreichische Kriminalgeschichte zu schreiben"" (S.132). Aber die vielen Widersprüche, offenen Fragen und die insbesondere von Duncans Mutter über die Jahre gesammelten Daten, Dokumente und Belege für die These, dass sein Tod mitten auf der Piste auf dem Stubaier Gletscher (wie auch immer verursacht) durch die österreichischen Behörden vertuscht worden ist, überzeugen ihn.
Aufbauend auf den Nachforschungen der Eltern beginnt er eine fast 3-jährige umfangreiche Recherche, deren Verlauf und Ergebnis in diesem Buch vorliegt. Ein Szenario am Ende des Buches erscheint möglich, ja wahrscheinlich: Duncan stürzte auf der Piste, lag hilflos dort und geriet in die Schneefräse der Pistenraupe und wurde anschließend in eine Gletscherspalte geschoben, um das Unglück zu vertuschen. (Kap. 39. Duncans Tod) Es ist zutiefst erschütternd zu lesen, wie Duncancs Mutter auf den abschließenden Bericht John Leakes reagiert: ""Als ich mit meinen Ausführungen fertig war, starrte sie mich zunächst nur an und sagte nichts... 21 Jahre lang hatte sie nach der Wahrheit gesucht, und nun wurde sie mit deren vollem Ausmaß konfrontiert. Innerhalb einer einzigen Stunde am Nachmittag des 9. August 1989 war der sensible, lustige, mutige, ehrliche und großzügige junge Mann ... zu einer Leiche geworden, die man verschwinden ließ, um den Fahrer der Pistenraupe nicht in Schwierigkeiten zu bringen und dem Stubaier Gletscher schlechte Presse zu ersparen."" (S. 220)
Unglaublich erscheinen die Handlungsweisen der verschiedenen beteiligten Personen, die oft zynische Behandlung der besorgten Eltern in den Behörden und Institutionen, die mit der Suche nach dem verschwundenen jungen Mann 1989 befasst waren. Da wird den Eltern erzählt, ihr Sohn sei vermutlich mit einer jungen Frau über die Alpen nach Italien gereist, obwohl das geliehene Auto wochenlang verlassen auf dem Parkplatz des Skiresorts gestanden hat. Weder wird ernsthaft nach dem Jungen gesucht, noch wirklich ermittelt. Als dann im heißen Sommer 2003 sein toter Körper mit schweren Verletzungen und den Resten seiner Snowboard-Ausrüstung gefunden wird, geht es mit der behördlichen Schlamperei bzw. Vertuschung gleich weiter: Weder auf der Piste noch danach wird mit kriminaltechnischer Sorgfalt gearbeitet. Die aus Kanada herbeigeeilten Eltern suchen und finden auf dem nur unzueichend gesperrten Fundort ihres Sohnes Knochensplitter und Ausrüstungsteile. In der Gerichtsmedizin wird Ihnen die Leiche präsentiert und darauf gedrängt, sie zur Einäscherung freizugeben. Die offensichtlichen Verletzungen werden mit der Bergung der Leiche erklärt und dem Liegen im Eis über die vielen Jahre. Zunehmend haben sie das Gefühl, dass etwas nicht stimmt und versuchen in den Jahren 2003-2009 hinter diese Mauer aus Abwehr, Abweisung, Ablehnung und Desinteresse zu schauen und den Tod ihres Kindes aufzuklären und ""die Wahrheit herauszufinden"". Dies umso mehr, je mehr Lynda das Gefühl hatte, belogen zu werden, wie sie von Leake im Kap. 26 ""Der Hunger nach Gewissheit"" zitiert wird. (S. 151)
John Leakes fakten- und detailreiches Buch über diesen unerhörten Skandal in der österreichischen Justizgeschichte ist zugleich eine berührende Geschichte über eine mutige, tapfere und liebende Mutter, die am Ende die furchtbare Wahrheit über den Tod ihres Kindes erfahren muss.
Ein umfangreicher Anhang (z.B. Mailverkehr mit dem verantwortlichen Gerichtsmediziner, Fotos der Beweismittel u.v.a.m) dokumentiert ergänzend zum Text die Ungeheuerlichkeit dieser Geschichte.
Das Buch irritiert und macht einem wütend - was dort geschehen ist, könnte überall passieren.

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Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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