Eins
- Autor*in
- Crossan, Sarah
- ISBN
- 978-3-95854-057-6
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 424
- Verlag
- Mixtvision
- Gattung
- –
- Ort
- München
- Jahr
- 2016
- Lesealter
- 14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 16,90 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Grace und Tippi sind siamesische Zwillinge. Von diesem ungewöhnlichen Leben zu zweit erzählt Sarah Crossan auf eindrücklich Art und Weise.
Beurteilungstext
Die beiden Teenager Grace und Tippi sind eigentlich ganz normale Mädchen, doch nichts im Leben der Zwillinge ist Normalität. Denn sie teilen sich den gleichen Unterleib und sind von Geburt an aufeinander festgelegt. Sie teilen alles, jede Erfahrung, nur selten einmal gibt es private Momente. Was einmal wie Verdammnis wirkt, führt auch zu einer besonderen Art der Symbiose, einer Gemeinschaft, die auch nicht ohne Not zu trennen ist. Dass eine solche Trennung nicht nur eine physische Herausforderung ist, davon erzählt Sarah Crossan in ihrem aktuellen Jugendroman.
Denn Tippi und Grace werden krank und Hoffnung auf Überleben gibt es nur, wenn der schwierige Schritt einer Trennung versucht wird. Das Risiko, dass es eine der beiden, oder gar beide nicht überleben, ist sehr groß. Doch stellen sie sich der ausweglosen Herausforderung, wohl wissend, dass die Chancen nicht gut stehen. Als Grace erwacht, ist alles anders. Wunden gibt es viele und ob sie verheilen, bleibt abzuwarten.
Sarah Crossan gelingt in ihrem neuen Roman Eins ein authentischer Blick auf das Leben und Empfinden zweier Menschen, deren Leben auf höchst irritierende Weise miteinander verwoben sind. Dass das nicht nur eine psychische Dimension ist, kann sie durch zwei erzählerische Kunstgriffe erreichen. Einerseits lässt sie Grace ihre Geschichte erzählen, die als eine der beiden nicht einfach Ich-Erzählerin ist, sondern eine Hälfte einer Symbiose, die es am Ende nicht mehr geben wird. Dadurch erzeugt Crossan eine nicht zuverlässige Innerperspektive, weil es eben nur eine Innenperspektive ist. Andererseits sind die Texte zwar im erzählenden Duktus, jedoch in lockerer Textverteilung und mit vielen Zeilenumbrüchen geschrieben, so dass kurze, fast versartige poetisierte Zeilen entstehen. Wie kleine Gedichte, verdichtete Beschreibungen, werden Gedankenfetzen, Erklärungen, Emotionen in Sprache gegossen. Das bietet einerseits Einblick in den Alltag der beiden Schwestern, andererseits aber auch Zugang zur psychologischen Dimension einer diffusen Persönlichkeitsstruktur. Denn immer klarer wird, dass Grace und Tippi zwar zwei unterschiedliche Bewusstseinsstrukturen haben, aber sie als Individuen zu bezeichnen, wird der Beziehung der beiden auch nicht gerecht. Für diese Situation bietet die Umwelt von Grace und Tippi keine Antwort und es bringt auch die Leser an die Grenze ihres Verständnisses menschlicher Existenz.
Dieser Eindruck wird aber nicht künstlich überzeichnet, sondern entsteht gerade wegen der ehrlichen und lockeren Art, in der Grace berichtet, in der sie auch ihrer Verzweiflung, aber auch dem zum Lebensinhalt gewordenen Fatalismus Raum lässt.
Dieses Buch verstört, es idealisiert ohne zu beschönigen, es fordert heraus und erweitert individuelle Perspektiven. Es ist nachdrücklich zu empfehlen!