Ein amerikanischer Traum. Die Geschichte meiner Herkunft, meiner Familie und meiner Identität

Autor*in
Obama, Barack
ISBN
978-3-423-62789-4
Übersetzer*in
Hald, Katja Fienbork, Matthias
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
320
Verlag
dtv
Gattung
Taschenbuch
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches MaterialFreizeitlektüre
Preis
13,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Mann begibt sich auf Spurensuche – nach seiner Herkunft, seiner Identität, seinen Prägungen. Er wird einmal erheblichen Einfluss auf die Geschicke der ganzen Welt ausüben – einige Jahre, nachdem er das Buch verfasst hat, wird er der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Obama hat ein sehr ehrliches, stellenweise schonungsloses Buch verfasst, das ein zentrales Thema umkreist: Welchen Einfluss hat die Familiengeschichte auf den eigenen Werdegang.

Beurteilungstext

Vermutlich kennen fast alle Menschen der Welt Brack Obama, der von 2009 bis 2017 als Präsident der USA amtierte; als erster Farbiger in diesem Amt. Woher aber kam er, welchen Weg hat er bis zum „Weißen Haus“ zurückgelegt? Als Mitdreißiger hat sich Obama der Aufgabe gestellt, seine Familiengeschichte und seine eigene Herkunft zu rekonstruieren und aufzuschreiben. Er beschreibt, wie er als Kind auf Hawaii aufwuchs, dem jüngsten Bundesstaat der USA. Seine Mutter ist eine weiße US-Amerikanerin, aus dem Mittleren Westen stammend. Sein Vater kam aus Kenia mit einem Universitätsstipendium in die Staaten. Die beiden verliebten sich und heirateten, was in der damaligen Zeit noch den Stempel des „Außergewöhnlichen“ trug und nicht zuletzt dank der sehr toleranten und weltoffenen Haltung von Obamas amerikanischen Großeltern – Toot und Gramps – überhaupt möglich war. Der Vater verlässt die kleine Familie, bevor sein gleichnamiger Sohn Barack ihn kennen lernen kann. Die Mutter findet einen neuen Partner – Lolo aus Indonesien. Barack verbringt einige Kindheitsjahre in einer gänzlich anderen Kultur, bevor der Junge nach Hawaii zurückgeht und zunächst bei den Großeltern lebt, bevor seine Mutter nach dem Scheitern der zweiten Ehe zurückkehrt. Obama besucht Schulen, in denen er eines von sehr wenigen nichtweißen Kindern ist. Er lernt, sich durchzusetzen und sich Anerkennung zu verschaffen, wobei ihn die Frage, was ihn denn als Farbigen definiert, immer drängender beschäftigt. Nach dem Abschluss studiert er in Los Angeles und schließlich verbringt er einige Zeit in New York. Prägend werden allerdings die anschließenden Jahre in der Metropole Chicago. Obama entscheidet sich zunächst gegen ein Studium. Er möchte in der „wahren Welt“ etwas bewirken, benachteiligten Menschen helfen, aktiv und nützlich werden, statt an die eigene Karriere und möglichst schnellen Reichtum zu denken. Er wird Sozialarbeiter und unterstützt verschiedene Projekte. Er lernt die Perspektive der Verstoßenen, der Zukurzgekommenen, der Schwachen auf das kennen, was im nationalen Narrativ der USA als der „amerikanische Traum“ firmiert. Die Menschen, für die er arbeitet, sind fast ausschließlich Schwarze, in den sogenannten Problemvierteln der Industriestadt. Obama lernt, mit Niederlagen umzugehen, Zähigkeit im Ringen um kleine Verbesserungen der Lebensumstände der Menschen an den Tag zu legen und Erfolge zu feiern. So, als es ihm gelingt, die Menschen, die in einem Sozialviertel wohnen, zu einem wirkungsvollen Protest gegen die Stadtverwaltung zu bewegen, um ihre asbestverseuchten Gebäude untersuchen zu lassen. Er erwirbt viel von dem Rüstzeug, was er später als Berufspolitiker benötigen wird. Bevor er nach einigen Jahren doch ein Jura-Studium in Harvard beginnt, entscheidet er sich, die andere Hälfte seiner Biografie und Familie kennen zu lernen – er reist für einige Wochen nach Kenia, ins Land seines mittlerweile verstorbenen Vaters. Seine Halbschwester Auma, die ihm eine enge Vertraute geworden ist, führt ihn in diese völlig andere Lebensrealität ein und Obama lernt ein Land, eine Kultur kennen, die ihm bislang komplett fremd waren und er erlebt, wie Menschen ihr Leben gestalten, die völlig andere Startbedingungen vorfinden als im „reichen Westen“.
Barack Obama hat ein beeindruckendes Buch, ein sehr ehrliches Selbstzeugnis geschaffen. Geschrieben hat er es lange vor seiner Zeit als Präsident, Mitte der neunziger Jahre. Die aktuelle Ausgabe wurde grundlegend überarbeitet, vor allem für junge Leserinnen und Leser. Zu konstatieren ist zunächst, dass er ein hinreißender Erzähler ist, der Situationen, menschliche Verhaltensweisen, auch Dialoge präzise, anschaulich und nicht selten mit viel Humor darzustellen vermag. Aber auch Passagen der Reflexion gelingen ihm fesselnd und authentisch, ohne belehrenden Unterton. Die Offenheit, mit der er sich selbst als Kind und Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen beschreibt, verblüfft mitunter – vor allem, da er auch kritische Aspekte keineswegs ausspart. So beschreibt er Phasen des schulischen Desinteresses, ja der Faulheit; Momente der Unaufrichtigkeit; ja sogar eine Neigung zu Alkohol und Joints. Das alles tut er nicht rechtfertigend, sondern im Bemühen, ein vollständiges Bild wiederzugeben. Das Kernthema des gesamten Werks ist die Suche nach der eigenen Identität, die Rolle, die die komplizierten Familienverhältnisse dafür spielen und die ständige Suche nach dem einen „Platz in der Welt“. Vor allem aber geht es auch immer wieder darum, welche Rolle noch immer das Gift des Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft wie in der ganzen Welt spielt. Dagegen anzukämpfen, wird zur Triebkraft seines Lebens; etwas Wirkungsvolles gegen Situationen wie diese zu tun: „Du bist wütend, weil du einen teuren Anzug trägst, tadelloses Englisch sprichst und trotzdem für einen gewöhnlichen Nigger gehalten wirst.“ (S. 109) Faszinierend ist, dass es dem Autor gelingt, den „amerikanischen Traum, von dem er zutiefst überzeugt ist, also die Möglichkeit des selbstbestimmten Aufstiegs, nie in Frage zu stellen, dabei aber alle kritischen Punkte, die dieser mit sich bringt, schonungslos zu benennen: Rassismus, Polizeigewalt, eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, fehlende Sozialsysteme. Am packendsten sind die Schlusskapitel über Afrika, wo er lernt, dass Menschen auch unter gänzlich anderen Umständen aufwachsen und leben können, dass er lernt, seine bislang weitgehend unbekannte kenianische Großfamilie zu lieben und zu respektieren. Gerade das zeichnet die Autobiografie aus, weil solche Sichtweisen vielen US-Amerikanern eher fremd sind. Das Buch ist weitgehend chronologisch aufgebaut und in drei große Abschnitte gegliedert – „Kindheit“, „Chicago“ und „Kenia“. Nachbemerkung und Danksagung schließen es ab. Es ist unbedingt empfehlenswert – ganz unabhängig davon, wie kritisch manche Aspekte der späteren Präsidentschaft Barack Obamas zu bewerten sein mögen.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 14.10.2023