Dornrose

Autor*in
Yolen, Jane
ISBN
978-3-8270-5305-3
Übersetzer*in
Nolte, Ulrike
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
282
Verlag
Berlin Verlag
Gattung
Ort
Berlin
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Jane Yolen erzählt von der Suche einer 23-jährigen jüdischen Amerikanerin nach der Geschichte ihrer Großmutter.
Die junge Becca macht sich auf, den Lebensweg ihrer Großmutter bis nach Polen zurückverfolgen bis in eine kleine Stadt, in der sich im 2.Weltkrieg ein Vernichtungslager der Nazis befand.
Ein Roman über die „Enkelgeneration“ auf der Suche nach der Wahrheit.


Beurteilungstext

Nach dem Tod von „Gemma“ (Grandma) müssen die Familienangehörigen feststellen, dass sie von ihr nicht einmal den genauen Namen kennen. Das einzige, was ihnen von ihr bleibt, ist ihre Version des „Dornröschen“- Märchens und eine kleine Truhe mit Fotos und Dokumenten.
Das Märchen von „Dornrose“ hatte Gemma ihren drei Enkelinnen etliche Male erzählt. Doch erst nach dem Tod der Großmutter, die bis dahin liebevoll von Becca, der Jüngsten, umsorgt worden war, begreift Becca, dass dieses Märchen, von Gemma in einer etwas abgeänderten Version erzählt, mehr bedeutete. Erst dann nämlich, als ihre Großmutter auf dem Sterbebett immer wieder betont sie selbst sei eine Prinzessin und Becca das Versprechen abnimmt ihr „Schloss“ zu suchen. In der kleinen Truhe, die sich im Nachlass der Großmutter befand, findet sie Fotos der schwangeren Frau, die sie 1944 nach ihrer Einreise in die USA zeigen. Beccas Mutter selbst hatte bisher angenommen, ihre Mutter sei schon vor dem Krieg als Jüdin in die USA emigriert. Über ihren Vater hat sie nie etwas erfahren. Die Geheimnisse um ihre Großmutter aufzuklären besucht Becca zunächst die Stadt, die Gemma nach ihrer Emigration aufnahm, trifft alte Bekanntschaften ihrer Großmutter und verfolgt ihre Spur schließlich bis nach Chelmno zurück, einem Nazi- Vernichtungslager, aus dem sie einst nur durch großes Glück und die Rettung durch einen „Prinzen“ entkam.

Erst durch den „Prinz“, dem sie in Polen begegnet, erfährt Becca schließlich die Geschichte ihrer Großeltern. Ein Glück, dass dann nicht dieser Mann mit dem Spitznamen „Prinz“ Beccas Großvater ist, sonst wäre die Geschichte allzu vorhersehbar. Das Märchen vom Dornröschen ist der Leitfaden, der die Geschichte der Großmutter durchzieht. Welches Grauen sie erlebt haben mag, lässt sich darin erahnen, dass in ihrer Version die Dornen so lang wie „Lagerdraht“ sind und der Fluch der bösen Fee ein ewiger Schlaf ist, aus dem nur Dornröschen wieder aufwacht.
Der ganze Roman hat Ähnlichkeiten mit einem Märchen. Das fällt zu Beginn recht unangenehm auf, wenn Beccas große Schwestern ziemlich plakativ als unsympathische Schnepfen dargestellt werden. Auch Becca, die „edle Jüngste“ der drei Schwestern, kann man dann in ihrer Selbstlosigkeit und Freundlichkeit nicht mehr ganz ernst nehmen. Und natürlich darf auch Beccas eigener Traumprinz nicht fehlen.
Genau wie die beiden überzeichneten älteren Schwestern in ihrer Versessenheit auf Mode und Chic ähnelt in diesem ersten Teil auch die Sprache an eine amerikanischen Serie: Immer ein flotter Spruch, immer lässig. Fast ist es als würde sich die Autorin da selbst aufs Korn nehmen, wenn sie später einer alten Polin die Worte „Polen ist voller Helden. Die sind alle tot und sehen sich die Radieschen von unten an“ in den Mund legt und ihre Nichte darauf antworten lässt: „Was für eine Sprache! Du liest zu viele ausländische Bücher, Tantchen!“.
Dass sie auch anders kann, zeigt die Autorin in ihrem Bericht aus der Perspektive des „Prinzen“ über die Geschehnisse von damals. Nüchtern aber schonungslos berichtet er seine Geschichte - warum er als Homosexueller trotz Verfolgung nicht emigierte, was ihm im Konzentrationslager Sachsenhausen und nach der Flucht unter Partisanen widerfuhr und wie er Beccas Großeltern kennenlernte. Neu ist dabei der Blickwinkel eines homosexuellen Verfolgten. Der Aspekt der sexuelle Diskriminierung dürfte sicher auch unter Jugendlichen aktuellen Bezug haben.

Dass ein bisschen Ironie in einer NS- Thematik manchmal gut tut, kennt mach beispielsweise schon aus „Jakob der Lügner“. Hier ist es in ähnlicher Weise gelungen, die Tragik und das Unfassbare in schlichte aber eindringliche Worte zu fassen. An dieser schlichten Sprache liegt es dann wohl auch, dass die Schilderungen, die am Umfang des Buches gemessen wenig Raum einnehmen, nie sensationsheischend wirken, auch wenn die Autorin dem Leser nichts erspart.
So bleibt auch noch Raum, um auf andere problematische Aspekte einzugehen: Was sind „Helden“ und wie werden sie dazu? Dass diese Rolle auch einen problematischen Hintergrund hat, zeigt die Person des „Prinzen“ sehr gut.
Auch die Frage nach der Verantwortung der Dorfbewohner, die die Verbrechen in den Lagern „vor der Haustüre“ zumindest durch ihr Wegschauen mittrugen, beibt hier nicht unangetastet. Die Autorin beschreibt Parallelen zu einem Lager in den USA, wo europäische Kriegsflüchtlinge 1944 nach ihrer Emigration untergebracht waren, wenn auch unter wesentlich humaneren Bedingungen. Was hier sehr eindrucksvoll deutlich wird ist, wie sich einerseits Ressentiment von Seiten der Bevölkerung bilden - „Es gab damals bestimmte Gerüchte. Es wurde behauptet, die Flüchtlinge- und davon gab es fast Tausende – würden auf Kosten der Steuerzahler ein bequemes Leben führen.“- sich andererseits das Grauen der Flüchtlinge wiederholte: „Das muss man sich mal vorstellen. Deutsche Kriegsgefangene in anderen Teilen der USA machten Wochenendausflüge, und gleichzeitig waren wir hinter Zäunen eingepfercht.“ Diese kritische und ehrliche Auseinandersetzung der amerikanischen Autorin mit der eigenen Gesellschaft vermittelt dann auch Glaubwürdigkeit, wenn der Umgang der polnischen Dorfbewohner mit ihrer Geschichte geschildert wird. So wird deutlich, dass das Grauen der Lagerinhaftierung überall und bis heute ein brisantes Thema bleibt.

Sicher ist dieser Roman nicht der erste zu dieser Thematik. Was ihn aber auszeichnet ist, das der Fokus da liegt, wo andere Romane abschalten: dem Leben danach. Wie lebt ein Mensch, der solch traumatisierenden Erfahrungen gemacht hat? Wie erleben ihn nachfolgende Generationen? Am wichtigsten erscheint mir, dass der Roman eine persönliche Beziehung zum Heute herstellt. Wo Geschichte in der eigenen Familie lebendig wird, da kann in der Enkelgeneration schwer die Frage aufkommen, „was geht uns das an ?“. Für diese Enkelgeneration besteht nur noch wenig Zeit, die verbliebenen Zeitzeugen zu befragen- ein Grund mehr sie dazu zu ermutigen. Dass in so mancher Familie wenig über die Erlebnisse der Großeltern aus dem 2.Weltkrieg bekannt ist, ist vielleicht nicht so ungewöhnlich. Doch hier Nachforschungen anzustellen, kann sich auch lohnen. Denn genau wie bei Becca vermag die Geschichte der Vorfahren vielleicht auch das eigenen Leben beeinflussen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stef.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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