Don Quijote

Autor*in
Flix,
ISBN
978-3-551-71380-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
136
Verlag
Carlsen
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2016
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
9,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Alonso Quijano, zweiundachtzigjähriger Vorsitzender und letztes Mitglied des „Heimatpflege Tobosow e.V., kämpft nicht nur gegen Comics im „Märkischen Volksfreund“, sondern auch gegen den im Kreis Müritz geplanten Windpark.

Beurteilungstext

Ein Ritterroman als Comic – diese Idee ist nicht wirklich neu, gewinnt aber durch die Hand des Zeichners und Autors Flix (Felix Görmann) eine gesellschaftliche Bezugsebene, die man beim Genre Comic gelegentlich vermisst. Ein alter Mann, der in einer aussterbenden und ausgestorbenen Region die einst geschworenen und in seinem Kopf verankerten Ideale bewahren und leben will, verschließt sich völlig vor den Veränderungen seiner Umgebung, seiner Umwelt, und wird – bei allem Starrsinn und kämpferischen Mut – von seinen Mitmenschen entweder ausgebeutet, belächelt oder als dement ins Seniorenheim verbannt.
Als Alonso Quijano erkennt, dass sein Heimatdorf Tobosow – Kenner des literarischen Vorbilds ‚Don Quichote‘ horchen an dieser Stelle auf – in den Bannkreis von intriganten und korrupten Landkäufern gerät, damit dort ein Windpark gebaut werden kann, unterbricht er seine Suche nach Dulcinea, inzwischen zum Phantom mutiert, und startete einen Kreuzzug gegen ihm unbekannte Gegner. Doch sein Treiben bleibt nicht unentdeckt, denn Quijano – in seinen Rollen als Wutbürger und Ritter, begibt sich an die Brennpunkte seiner imaginären Schlacht: Am Baugerüst für den Windpark hält er eine Ein-Mann-Gegendemonstration, er bemüht sich im nahegelegenen Bordell um Unterschriften und schreckt nicht vor Übergriffen zurück, wenn es um Durchsetzung seiner Interessen geht.
Seine Tochter Antonia, von der Polizei informiert, hat bereits die weiteren Schritte geplant: Alonso Quijano wird ein Zimmer im Seniorenheim Cervantes erhalten, bis dahin bleibt der alte Mann bei ihr und ihrem achtjährigen Sohn Robin. Antonia ahnt nicht, dass die Visionen ihres Sohnes, ein schwarzer Ritter zu sein und als Batman die Welt retten zu können, genau in die Vorstellungswelt ihres Vaters passen. Schon bald sind beide unterwegs, Robin auf seinem Kinderrad mit Stützrädern, Alonso auf einem altertümlichen Männerrad, aber dies nur aus dem Blickwinkel der Realisten. Denn in ‚Wirklichkeit‘ reiten Sancho und Don Quijote bekanntermaßen auf einem Esel und auf der treuen Rosinante. Der erste Kreuzzug, bei dem Sancho / Robin lernen muss, „Dinge so zu sehen, wie sie [in Alfonsos Sicht] wirklich sind“, endet mit einer Schlägerei und der Zwangseinweisung in das Seniorenheim. Doch Robin will auf alle Fälle Ritter werden - dazu benötigt er seine Ausbildung bei Alonso. Mit einem genialen Streich befreit der diesen aus der grauen Einöde des Heims, und wieder galoppieren Retter der Menschheit durch die Nacht – verfolgt von der Polizei, gejagt von imaginären Feinden, getrieben von dem Ziel, Tobosow vor den Machenschaften korrupter Geschäftsleute zu retten und letztendlich die gerettete Stadt Dulcinea zu Füßen zu legen.
Frank Schirmmacher, Journalist, Buchautor und Mitherausgeber des ‚Märkischen Volksfreund‘ klärt in seinem Bei- bzw. Vorwort die Zusammenhänge zwischen der Vorlage des großen Meisters Cervantes und dem Comic des Autors Flix: Dieser hat durch das Verschieben weniger Mosaiksteinchen aus dem Original neue Gesichtspunkte in den bekannten Roman gebracht – hierzu gehören die Verschiebung des Schauplatzes nach Mecklenburg-Vorpommern durch eine geringfügige Namensänderung sowie die Aktualisierung der Windmühlen zu Windrädern. Letztendlich geht es, so Schirmmacher, in beiden Werken um das von allen belächelte Engagement eines Einzelnen, der Altes, für ihn Bewahrenswertes, erhalten möchte. Die Reaktion der Umwelt unterscheidet sich nicht von denen im Ritterroman – der Aktivist wird als dement, als wahnsinnig, unzurechenbar eingestuft, er findet in einem Einzigen, ihm treu Ergebenen, Unterstützung, der zwar die Motivation seines Herrn / Großvaters nicht nachvollziehen kann, aber nach und mit dem Herzen handelt.
Auch wenn Spaß beim Lesen nicht zu kurz kommt, die Botschaft des Buches zeichnerisch und schreibend mit großer Sensibilität gewebt wurde, so bleibt doch der mahnende Zeigefinger nicht verborgen: Haben wir in der schnelllebigen Zeit noch ein Bewusstsein für das Bewahren des Alten, des den Traditionen Geschuldeten?
Der Leser wird wiederholt mit Einblendungen auf andere ‚Wahrnehmungs- und Phantasie-Ebenen‘ konfrontiert, Orts- und Zeitwechsel fordern seine Aufmerksamkeit, dies gilt auch für die Entscheidung, den Comic in Schwarz-Weiß zu gestalten. Daher ist das Buch für den Leser sehr empfehlenswert, der es nicht – nur – zum Entspannen in die Hand nimmt, sondern auch Freude an einer modernen Variation des bekannten Ritterromans hat und bereit ist, nach den Stellschrauben dieser Veränderung zu suchen.

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Veröffentlicht am 01.03.2017

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