Djihad, mon ami

Autor*in
Bouzar, Dounia
ISBN
978-3-95728-041-1
Übersetzer*in
Pasquay, Sarah
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
159
Verlag
Knesebeck
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2017
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Sarah und Camille sind von Kindesbeinen an befreundet, sie sind füreinander da wie Schwestern, machen alles gemeinsam, besuchen – bis auf wenige Ausnahmen - dieselben Kurse in der Schule. Doch eines Tages gerät Camille in den Bann von radikalen Islamisten.

Beurteilungstext

Camille und Sarah geben abwechselnd die Erfahrungen weniger Monate wieder – dieser geringe Zeitraum reicht aus, dass Camille zum Opfer radikaler Moslems im Netz wird. Zunächst begreift Sarah nicht, warum sich Camilles Verhalten so plötzlich verändert, warum sie Bilder zerreißt, Statuen zerstört und zunehmend zum Zombie mutiert, der sich mit ausdrucklosem Gesicht bewegt und sich immer mehr isoliert. Eines Tages hält sie es nicht mehr aus und folgt Camille heimlich. Diese hat in einem Hauseingang den Nikab (Niqab) angelegt und läuft nun als „Frau in Schwarz, mit Camilles Rucksack“ (S 32) durch die Straßen. Sarah, deren Eltern Muslime sind und aus Marokko stammen, erkennt sofort die Zusammenhänge: Camille ist „von einem radikalislamistischen Guru indoktriniert worden“ (S. 36). Alle Bemühungen der Eltern, Sarahs und der Lehrer, Camille in die Normalität zurückzuholen, scheitern. Camille hat nicht nur den ‚Übervater‘ im Netz als ständigen Ansprechpartner und Lenker, sondern auch gleichgesinnte ‚Freundinnen‘, die sie mit Zitaten aus dem Koran in die ‚richtige Richtung‘ bringen und ihre Veränderung ‚begleiten‘. Bald ist die Isolation perfekt, Camille ein gefügiges Werkzeug einer riesigen ‚Verführungsmaschinerie‘. Ein Vorfall in der Schule ruft die Erzieher und die Polizei auf den Plan, Camille steht nun unter Beobachtung. Auf Anraten ihres ‚Gurus‘ gibt sie sich als ‚die frühere Camille‘ und wähnt ihr Umfeld in dem Glauben, dass sie ‚zur Besinnung gekommen sei‘. Sarah bleibt misstrauisch, zeigt dies aber nicht – aus Angst, die wieder erwachte Freundschaft aufs Spiel zu setzen. Gemeinsam mit anderen Freundinnen wollen sie und Camille ein Rockkonzert im Pariser Bataclan-Theater besuchen, doch Camille ist nicht aufzufinden. Dieser Abend soll das Leben der beiden Freundinnen tiefgreifend verändern – Sarah entkommt nur knapp den tödlichen Schüssen der Terroristen und ist schwer traumatisiert, Camille wird in letzter Minute von der Polizei an der Flucht nach Syrien gehindert. Ein langer und schwieriger Weg in die ‚Realität‘ beginnt.
Die Autorin bringt in den Roman viele Erfahrungen, Aussagen und Eindrücke ihrer jungen Klienten ein, die sie als Vorsitzende des CPDSI, des Zentrums für Prävention, Deradikalisierung und individuelle Betreuung, begleitet und berät. In ihrem Nachwort fordert sie die jungen Leser auf, einander zu helfen, mit Vertrauen und Liebe diejenigen wieder zurückzuholen, die den Agitationen der Radikalen erlegen sind. Am Beispiel Camille zeigt sie auf, dass die Jugendlichen mit ihrer Unsicherheit, ihren Selbstzweifeln, ihrem Wunsch, sich vom Elternhaus abzunabeln, leichte Opfer und Spielbälle des weitverzweigten Netzwerkes sind - unabhängig, aus welcher sozialen Schicht sie stammen. Sie warnt aber gleichzeitig vor der Pauschalisierung, dass der Islam eine radikale Religion sei, die zur Tötung anderer aufruft: „Im Islam [ ] ist das Leben heilig.“ (S. 156). Der Perspektivenwechsel zwischen den beiden Protagonistinnen, der langjährigen Muslima Sarah und der aus der Suche nach einem ‚Daseins-Sinn‘ zum Islam konvertierten Camille, bietet dem Leser die Chance, sich ein neutrales Bild zu schaffen oder manche Situationen und Episoden mit der notwendigen Distanz zu betrachten, ja vielleicht auch sich selbst zu fragen – was hätte ich an Camilles oder Sarahs Stelle getan?
Da beide Protagonisten weiblich sind, mag das Buch eher junge Frauen ansprechen, die männlichen Aspekte werden erst gegen Ende des Buches eingebracht. Offen bleibt die mehrmals angeschnittene Frage, ob der Wunsch Camilles, einen Nikab zu tragen, auf ein Missbrauch-Erlebnis in ihrer frühen Jugend zurückzuführen sei. Am Ende siegt die Freundschaft, und beide Mädchen haben nun, nachdem Camille die wirkliche Botschaft des Islam wahrgenommen hat, eine weitere Gemeinsamkeit gefunden, die sie noch enger in ihrer Beziehung zusammenschweißt. Das Buch bietet sich an, im Klassengespräch gemeinsam erarbeitet zu werden, es zeigt Gefahren auf, bietet aber auch ‚Rettungsanker‘, auf die die jugendlichen Leser zurückgreifen können. Wünschenswert wäre als Ergänzung eine Auflistung deutscher Anlaufstellen für Betroffene und deren Familien.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 09.09.2017

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