Die weite Steppe

Autor*in
Robertson, David A.
ISBN
978-3-95878-047-7
Übersetzer*in
Raab, Michael
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
214
Verlag
Little Tiger
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanFantastik
Ort
Gifkendorf
Reihe
Die Misewa Saga
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
FreizeitlektüreKlassenlektüreBücherei
Preis
16,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Durch ein verborgenes Tor gelangen die beiden indigenen Pflegekinder in ihre ursprüngliche und verlorengegangene Welt.

Beurteilungstext

Der Autor David A. Robertson fühlt sich als Angehöriger der Norway House Cree Nation, obwohl er seine indigenen Wurzeln erst spät realisiert hat. In Kanada gilt er als erfolgreicher Autor von mehr als 25 Kinder- und Jugendromanen. Meist thematisiert er die Vergangenheit und Kultur der First Nations, speziell seines eigenen Stammes, der Cree.
Auch in seinem ersten Band der Misewa Saga (Weite Steppe), gelangen die beiden indigenen Pflegekinder Morgan und Eli durch ein Tor in eine Parallelwelt.
Eine Rahmenhandlung erzählt von der Vorgeschichte der beiden: Sie fühlen sich als Außenseiter - besonders Morgan - innerhalb der Schule und bei ihren Pflegeeltern. Doch jetzt scheint sie ein Zuhause gefunden zu haben. Schon früh werden in dieser Vorgeschichte Spuren gelegt, die im weiteren Verlauf der Handlung in der Parallelwelt wichtig werden.
So ist es die Zeichenkunst, die der 11-jährige Eli beherrscht. Mit Hilfe seines selbst geschaffenen Bildes - eine weiße Winterlandschaft mit Langhäusern im Hintergrund - gelangen beide Kinder in diese andere Welt. Dort treffen sie auf das sprechende Tierwesen, den Otter, der der einzige Jäger des Dorfes ist und die Bewohner mit Nahrung versorgen muss. Dies gestaltet sich jedoch immer schwieriger, da "ein Mann" die Sommervögel gestohlen hat und jetzt ewiger Winter herrscht. Außerdem sind die meisten Tiere verschwunden. Es herrscht Hunger. Gemeinsam mit dem Otter und einem sprechenden Eichhörnchen machen sie sich auf eine abenteuerliche Reise, um das Dorf zu retten. Sie müssen Baum- und Eisbrücken überqueren, sich vor einem wilden Wolf verteidigen und immer gegen den ewigen Winter mit seiner Kälte ankämpfen. Endlich finden sie den "Mann", einen "Weißen", der die Sommervögel für sich gestohlen hatte. Sie können mit einer List die Tiere befreien und zum Dorf schicken. Aber er jagt sie mit seinen Pfeilen, der Otter verliert dabei sein Leben und wird zum Sternbild, das wir unter dem Namen der Große Wagen kennen. Doch der Sommer ist zurück und die Natur kann wieder durchatmen, das Dorf ist gerettet. Ihrer Rückkehr zu ihrem heimatlichen Dachboden steht nichts mehr im Weg.
Liest man dieses Buch als Fantasyroman, so bietet er alles, was in diesem Genre zu finden ist: Abenteuer, sprechende Tiere, eine wunderbare Verwandlung und natürlich den Übergang in die Parallelwelt, der hier als Zeichnung dargestellt ist. Damit wird man aber dem Buch und dem Autor nicht wirklich gerecht.
Seine Botschaft steht klar im Text: "Die Natur bietet alles, was man braucht. Nimmst du nur das Nötigste, erneuert sie sich von selbst und bleibt fruchtbar. Liefert Medizin, Wasser, Pflanzen, Fleisch. Im Gegenzug ehren wir, was sie uns gibt... Nimmst du mehr, als die Natur liefern kann, gibt sie dir nichts mehr. Kann dir nichts mehr geben. Das ist hier passiert. Durch Menschenhand." (S.166). Zu dem "Mann" sagt das Eichhörnchen: "Du hast bekommen, was du brauchtest, aber du nahmst noch mehr. Wir hätten alle zusammen leben können. Wir lebten zusammen." (S.188). Auch der ewige Winter wird durch das Stehlen der Sommervögel durch den "Mann" definiert - ein Symbol für den Klimawandel..
Somit wird diese Fantasygeschichte zu einer Parabel für die Zerstörung der Umwelt durch die Handlungsweisen der Menschen, die nicht mehr mit der Natur und ihren Kreisläufen vertraut sind.
Geschickt ist es dem Autor gelungen Fantasy und seine Botschaft zu einer spannenden Handlung zu verweben. Als Leser*in kann man die handelnden Personen und ihr tragisches Schicksal ernst nehmen und ist über den positiven Ausgang dieser speziellen Geschichte erleichtert. Gleichzeitig macht uns Robertson neugierig auf die Welt der indigenen Völker, der First Nations, auf ihre Gedankenwelt, ihre Religion und ihre Lebensweise.
Deshalb muss man sich bei Michael Raab, dem Übersetzter fragen, wehalb er einem indigenen Tierwesen den Begriff "ewige Jagdgründe" in den Mund legt (S. 135). Dies ist eine Redewendung, die zuerst James F. Cooper, Autor der bekannten "Lederstrumpf-Romane" erfunden hat, von Karl May übernommen worden ist und bis heute fälschlicherweise für das Jenseits der indigenen Völker steht. Hier hätte man wohl eher schauen müssen, welchen Ausdruck der indigene Autor verwendet hat. Auch sind weitere Begriffe für das angesprochene Lesealter sicher nicht verständlich, z.B.: Smudging (S.69 und S. 123), Bravado (S. 185) oder "kauterisiert" (S. 179). Dies lässt das Verstehen des Textes holpern und man kann nur auf eine besser durchdachte Übersetzung bei den Folgebänden hoffen.
Trotzdem ist es eine interessante und wichtige Erzählung, die dem Autor hier gelungen ist.
Zum Schluss dürfen wir Morgans Gedicht nicht vergessen. In diesen vier Strophen mit ihren je vier Versen, wird der Inhalt des zurückliegenden Bandes einfühlsam zusammengefasst. Interessant ist, dass alle 16 Zeilen mit einem Verb enden. War das Absicht?

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 20.03.2023