Die Hexenakte

Autor*in
Reiche, Dietlof
ISBN
978-3-446-20860-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
352
Verlag
Hanser
Gattung
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
17,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Lennart und Katja lernen sich in einem Ferien-Mathe-Kurs kennen, sie wohnen in zwei benachbarten Gasthöfen der mittelalterlichen Stadt. Vom Lernen lenkt sie die Entdeckung der Hexenakte von 1593 ab, die unvermittelt mit lokalen Entwicklungen der Jetztzeit verbunden ist. Beide stürzen sich in dieses Abenteuer, in dem sie bedroht und gefährdet werden, mächtige Gegner, aber auch kluge Menschen auf ihrer Seite haben. In einem furiosen Finale wendet sich die Geschichte zum Guten.

Beurteilungstext

Reiches Vorbild für diesen Roman, der Nördlinger Hexenprozess gegen Anna Glauning, die Fingerhütin, ist schon mehrfach bearbeitet worden. Reiche geht einen indirekten Weg: seine Protagonisten sind absolute Kinder von heute, lebendig und wach, mit allen Sinnen bei dem, was sie gerade beschäftigt. Und sie werden auf diesen unglaublichen Hexenprozess gestoßen, der so offensichtlich aus simplem Neid angezettelt wurde, dass seine Akten versteckt, aber zum Glück nicht vernichtet wurden. Eine Schriftstellerin findet sie auf der Suche nach einer ganz anderen Sache (die auf die Bleisiegelfälscher aus Reiches früherem Roman deutet). Damit stößt sie aber in ein Wespennest von aktuellen Interessen: Just der Nachfahre des Denunzianten will die Nachfahren der Fingerhütin um eben Einfalls Gasthaus betrügen, wie es schon seinem Vorfahr gelang. Der geschäftstüchtige Polterer ist dem Leben sehr genau abgeschaut, ebenso wie auch alle anderen Charaktere; die Kleinstadt in ihrer Enge und Missgunst wird jedem, der so etwas kennt, unangenehm aufstoßen. Es gibt dieses Alpha-Tier, das sich ungehemmt austoben kann, weil alle um ihn herum kuschen, es ihm recht machen wollen, auch aber, weil dieses Dinge weiß, die jeder gern für sich behalten hätte. Fast gelingt es dem Hotelier, die Akten endgültig vernichten zu können, wenn da nicht die beiden Halbwüchsigen wären und eine Romanschriftstellerin, die der Sache auf der Spur bleibt, auch wenn er ihr ans Leder will.
Die Sache geht also schief im Sinne des Hoteliers, das liegt aber nicht zuletzt daran, dass in nicht ganz geklärter Weise sich auch die Fingerhütin einmischt; sie äußert sich durch den Mund einiger Personen, die dann nicht so recht wissen, was da eigentlich passierte. Na ja, das ist etwas merkwürdig, hat aber nicht eigentlich Einfluss auf die Geschichte, außer dass alle, die aufklären wollen, in ihrer Haltung bestärkt werden. Und dagegen ist ja auch nichts zu sagen.
In einem knapp 30-seitigen Anhang werden die Prozessakten von 1593 in heutiger Schrift, aber in der seinerzeit üblichen Sprache abgedruckt, dazu noch ein leicht verständlicher Abriss über das Rechtsverständnis der damaligen Zeit, geschrieben vom alter ego des Autors, der in einem Turm lebenden entlassenen Archivarin der Stadt, die durch den Einsatz der Kinder ihren Job auch wieder bekommt.
Der Autor umgeht die Mühsal geschickt, das mittelalterliche Denken z.B. der Fingerhütin und ihrer Gegner dem jungen Leser von heute vermitteln zu müssen. Die meisten Autoren der letzten Jahre versetzen einfach das Denken der Helden in die heutige Zeit, erreichen damit leichte Lesbarkeit und Identifikationsmöglichkeit auf Kosten der Realität. Das meist mystische Denken eines mittelalterlichen Menschen ist unseren Kindern praktisch nicht vermittelbar, ein Zuviel an Wissen und Umständlichkeit ist dafür nötig. Da sich Reiche hier aber ganz den sympathischen Kindern von heute widmet und das Mittelalter nur mittelbar aufscheinen lässt, ist das Grauen, das Folterkammer (die beiden finden tatsächlich die verschollene Folterkammer der Fingerhütin!) und Hexenwahn vermitteln, viel glaubhafter.
Und dass Dietlof Reiche gut schreiben kann, hat er schon mehrfach bewiesen.

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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