Die ganze Welt von A bis Zelt. Ein Alphabet in Bildern

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Kateryna Yerokhinas neues Bilderbuch ist ein ABC-Buch der besonderen Art. In den seltsamen Bildern begegnen sich Tradition und Moderne. Hier eröffnet sich dem erstaunten Betrachter ein Einblick in die Welt, die eine Welt der Buchstaben zu sein scheint.

Beurteilungstext

Der Titel von Kateryna Yerokhinas neuem Bilderbuch zeugt von Selbstbewusstsein. "Die ganze Welt von A bis Zelt" ist diese Sammlung an großformatigen Bildern überschrieben, die sich dem Betrachter zwischen den Buchdeckeln offenbart. Der Untertitel "Ein Alphabet in Bildern" kommt da schon deutlich bescheidener daher. Fast entschuldigend wird das Anliegen konkretisiert und eingegrenzt. Dabei steht Yerokhina mit ihrem Projekt, durch eine Bilderfolge die Welt in ihrer Gänze darzustellen, in guter Tradition. Schon in Comenius' berühmten Orbis sensualium pictus (deutsch: Die sichtbare Welt) von 1658 spielte das Bild eine zentrale Rolle. Und bereits 1790 hatte der Aufklärer Karl Philip Moritz in seinem Neuen ABC-Buch das Alphabet zur Strukturierung und Rhythmisierung seines Blicks in die Welt genutzt. Im Zusammenhang eben dieser Traditionen scheint sich auch das vorliegende ABC-Buch zu begreifen.
Dem Betrachter zeigt sich ein klassisch anmutendes ABC-Buch. Jede Seite ist einem Buchstaben gewidmet, der im Zentrum der Seite gegenständlich dargestellt ist. Um diesen Buchstaben gruppieren sich die unterschiedlichsten Gegenstände, Tiere und Personen, deren Namen alle mit eben jenem Buchstaben beginnen. Rund um dieses Ensemble der unterschiedlichsten Elemente ist der Buchstabe in vielen verschiedenen Schriftarten und Gestalten abgebildet. Das Bild wird eingerahmt von einem Fries, das ebenfalls Gegenstände und Buchstabenvarianten enthält.
Mit feiner Linie gezeichnet und in klassischer Farbgebung gehalten erscheinen die Illustrationen im altmeisterlichen Stil osteuropäischer Buchillustrationen. Dabei werden moderne und historische Elemente gekonnte vermischt. Durch ihre Verfremdung in den prägnanten Zeichnungen erscheinen sie aus ihren zeitlichen Kontexten enthoben als Teil einer besonderen Wirklichkeit, die dem allumfassenden Darstellungsanspruch des Buches gerecht zu werden scheint. Die Zeichnungen laden in ihrem Detailreichtum, der Tradition und Moderne miteinander verschränkt, zum Schauen und Entdecken ein. Sie bieten einen Blick in die Welt der Buchstaben und die dahinter liegende, durch sie dargestellte Welt der Dinge. Zwar ist es nicht die ganze Welt, die sich dort zeigt, aber es ist die Schrift, deren zentraler Platz in der Welt und deren grundlegende Bedeutung für unsere Welterfahrung und -deutung gefeiert wird. Und eben mit diesem Effekt wird das Buch auch seinem Titel gerecht.
"Die ganze Welt von A bis Zelt" ist ein außergewöhnliches Bilderbuch, das an der Grenze von Bild und Text Schriftbegegnung ermöglicht und damit unserem rational-analytisch dominierten Schriftverständnis eine wichtige Ergänzung bieten kann. Die Lektüre ist nachdrücklich zu empfehlen.