Der Wolfspelz

Schlagwörter

• Angst
• Außenseiter

Teaser

Das Schaf Bellwidder Rückwelzer lebt zurückgezogen allein in einer Hütte im Wald. Er frisst besonders gern Brombeeren. Aber um diese zu sammeln, muss er natürlich die Hütte verlassen. Leider scheint der Wald von Wölfen nur so zu wimmeln. Kurzentschlossen schneidert er sich einen Wolfanzug. Die Täuschung funktioniert, bis sich plötzlich Risse in der Kleidung zeigen.

Beurteilungstext

Als ängstliches Schaf fürchtet Bellwidder seinen eigenen Schatten. Allein in seiner Hütte fühlt er sich sicher. Natürlich nur, wenn auch die Gardinen alle zugezogen sind, so dass die Außenwelt durch keinen Spalt herein kann. Er verlässt sein Haus eigentlich ausschließlich, um schnell seine Lieblingsbeeren zu sammeln. Da es im Wald nur so von gefährlichen Wölfen wimmelt, schneidert er sich einen Wolfanzug. Der Anzug ist so täuschend echt, dass er sogar selbst Angst vor seinem eigenen Spiegelbild bekommt. In dieser gefährlichen Hülle fühlt sich Bellwidder mutig genug den Wald zu betreten. Dort begegnet er auch gleich anderen Wölfen, die ihn zum Mondanheulen auf die Wiese einladen. Leider bekommt die Verkleidung Risse und löst sich vollständig auf als Bellwidder umgeben von Wölfen ist. Aber welch eine Überraschung, keiner der Anwesenden ist wirklich ein Wolf. Aus Angst hatten sich alle Tiere eine Verkleidung zugelegt.
Die Illustrationen von Sid Scharp sind einfach großartig und spiegeln die Gefühle der Protagonisten sehr gut. Große Augen in Büschen und Bäumen verdeutlichen die drohende Gefahr im Wald. Erst als Bellwidder im Wolfspelz durch den Wald läuft verschwinden die unheimlichen Augen. Dem Wolf als gefährlichstem Tier droht natürlich keine Gefahr. Bellwidder fühlt sich sogar so sicher, dass er mit Beeren vollgefressen unter einem Busch einschläft.
Das gesamte Buch ist eine Mischung aus Bilderbuch und Graphic Novel. Die Texte sind u.a. als Sprechblasen in die Illustrationen integriert. Große doppelseitige Bilder wechseln sich mit kleinen Bildfolgen in unterschiedlichen Größen ab. Durch die abwechslungsreiche Bildfolge bleibt die Handlung spannend. Kurze Sätze und übersichtliche Schrift machen das Buch auch für Leseanfänger interessant.
Das wirklich eindrucksvolle Werk zeigt vor allem die unterschiedlichen Facetten der Angst und den Umgang mit dieser. Es wird sehr gut dargestellt wie man durch Ängste vereinsamt und wie lebensbestimmend Angst sein kann. Als kurzfristige Lösung wird hier das Tragen einer Maske angeboten.
Die Geschichte ist sehr vielschichtig und bietet zahlreiche Gesprächsanlässe und großartige Anregungen zu philosophischen Diskussionen. Sie zeigt unter anderem auf, dass sich sehr viele in der Öffentlichkeit hinter einer Maske verstecken. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, hier im Buch ist es die Angst vor dem Wolf. Es wird aber auch aufgezeigt, dass man beim Tragen einer Maske sehr vorsichtig sein muss. Um niemanden hinter seine Maske schauen zu lassen, ist man sehr distanziert, was wirkliche Freundschaften erschwert und dazu führt, dass man sogar in Gesellschaft vereinsamt. Alle Bekanntschaften bleiben aus Angst nur oberflächlich. Das wird sehr schön mit dem distanzierten Sitzkreis der als Wölfe verkleideten Tiere dargestellt, denn jedes dieser Tiere hat Angst bei einem Fehler gefressen zu werden.
Ein großartiger Metapher der sich perfekt auf Gesellschaft und Arbeitswelt übertragen lässt. In irgendeiner Weise versteckt sich letztlich jeder hinter Masken wie falscher Freundlichkeit, Gesundheit, vorgetäuschter Kompetenz, vorgespielter Gefühle.
Es ist ein absolut außergewöhnliches Werk mit einer wunderbaren Botschaft.