Der Klang der Freiheit

Autor*in
Lewis, Gill
ISBN
978-3-8458-2601-1
Übersetzer*in
Mumor, Andrè
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Weaver, Jo
Seitenanzahl
78
Verlag
arsEdition
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2018
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
10,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ein kleines Boot treibt auf dem Meer. Die Menschen, die darin sitzen, haben ihr Zuhause verloren. Rami, einer von ihnen, trägt eine Geige bei sich. Und während das Boot durch die stürmischen Wellen treibt, erzählt Rami die Geschichte seines Instruments. Und erweckt so die Hoffnungen auf Freiheit und Überleben bei seinen Weggefährten.

Beurteilungstext

„Der Klang der Freiheit“ von Gill Lewis ist ein Buch, das unter die Haut geht! In der Rahmenhandlung erzählt es die Geschichte von Rami, einem 14-jährigen Jungen, der aus seiner Heimat flüchten musste. Ganz plötzlich, ohne sich von seiner Mutter, seinen Freunden, seinem Leben in der Heimat verabschieden zu können. Nun sitzt er mit anderen Flüchtlingen in einem kleinen Boot auf dem Meer, bei schaukelnden Wellen, dem potenziellen Tod durch Ertrinken oder Erfrieren permanent ins Auge blickend, aber auch mit einem „Funken Hoffnung“ (S. 12) auf eine bessere, sichere und freie Zukunft. Eine lebensbedrohliche, existenzielle Situation also, in der Rami kaum mehr bei sich trägt als einen langen, schmalen Kasten. Und in diesem befindet sich das, was er über alles liebt, was ihm die Welt bedeutet: eine Geige. Während die anderen Essen und Getränke miteinander teilen, teilt Rami mit ihnen die Geschichte dieser Geige, die zu einer revolutionären Geschichte über die Macht und die Freiheit der Kunst wird. In Form einer Binnenerzählung lernt der Leser so Suke kennen, einen kleinen Schäferjungen aus den Hochebenen der mongolischen Wüste, der einen Hengst besitzt „mit einem Fell so weiß wie der weißeste Schnee und mit Augen so dunkel wie die dunkelste Nacht“ (S. 40). Dieser Hengst liebt seine Freiheit und lässt sich nur von Suke reiten, ohne „Sattel und Zaumzeug galoppierten sie über die Ebenen“ (S. 40). Aber ihre Freiheit ist, wie diese der Bootsflüchtlinge, in Gefahr: Nach einer Niederlage beim Pferderennen bemächtigt sich der reichste Fürst des Landes des weißen Hengstes. Er will den Willen des Pferdes, seine unbändige Freiheit, durch Peitschenhiebe und Demütigungen brechen. Und hat damit auch scheinbar Erfolg: „Ihr seht“, sagt der Fürst, als er endlich auch dem Rücken des Pferdes thront, es „gibt nichts, was ich nicht zähmen kann. Ich bin der Herr über alles“. (S. 58) Aber es gibt etwas, das mächtiger ist als Angst, Schrecken und Unterdrückung: der Ruf nach Freiheit. Und so hört auch der weiße Hengst „wie der Wind ihn beim Namen rief. Er spürte, wie er durch ihn hindurchfuhr und seinen Beinen und seinem Herzen neue Kraft gab. Er bäumte sich auf, um dem Ruf des Windes zu antworten, und warf den Dunklen Fürsten von seinem Rücken“. (S. 59) Wiedervereint mit Suke stirbt der weiße Hengst erschöpft von der Tyrannei des Dunklen Fürsten. Aber mit seinem psychischen Tod wird etwas Neues geboren, eine Idee, ein Klang, der „etwas in die Welt schicken [wird], das viel mächtiger ist als jeder Pfeil“ (S. 68). Der Klang einer Geige, die Suke aus den sterblichen Überresten seines Pferdes baut, ertönt bald über alle Berge und Täler, ergreift alle Menschen. Er erreicht auch den Dunklen Fürsten, der diese gefährliche Musik vertreiben, vernichten, auslöschen will. Doch es gelingt nicht! Und der schwarze Fürst muss fort, fort von diesem Klang der Freiheit, der Macht der Musik, und er gräbt, immer tiefer, ein Loch unter der Erde, das „ihn fortführte von der Musik“ (S. 71).

„Der Klang der Freiheit“ ist ein Buch, das aus der Masse aktueller Jugendliteratur deutlich und in vielerlei Hinsicht heraussticht. So wird hier ein aktuelles politisch-gesellschaftliches Thema mit einer zeitlich übergeordneten, geistigen Ebene verbunden: Kunst wird nicht nur als ein mächtiger, subversive Kräfte in sich tragender Ort erkennbar, sondern zugleich als ein Ort des kulturellen Erinnerns - an gewonnene Kämpfe um Freiheit und Autonomie, an Leid, Hoffnung und Kampf. In diesen Ort wollen sich auch die Bootsflüchtlinge, die nicht wissen, ob sie den nächsten Tag noch erleben, mit ihren eigenen Geschichten einschreiben: „Die Worte taumeln von den Lippen der Passagiere, wollen unbedingt Namen und Orte in die Köpfe der anderen setzen. Erinnere dich an mich. Erinnere dich an meinen Namen.“ (S. 17) Und sie sind es auch, die dieses Lied der Freiheit von Suke und seinem Hengst forttragen wollen, hinein in eine – hoffentlich – freie Welt. Ob es klappt, ob die Bootsflüchtlinge ihre Flucht überleben - das bleibt offen.

Dem anspruchsvollen Inhalt entspricht die hohe literarisch-ästhetische Qualität der formal-stilistischen Ebene. Dem Leser begegnet eine lakonische, hoch metaphorische und teilweise in Form und Stil in Lyrik übergleitende Sprache, die dem Leser Bedeutungen und Stimmungen der Protagonisten noch vor dem eigentlichen Verstehen fühl- und erfahrbar macht. Weniges wird hier direkt formuliert, vieles muss vom Leser geschlussfolgert und in Zusammenhänge gesetzt werden. Außensichten auf die Figuren und die Szenerie werden ergänzt durch interne Fokalisierungen, die das Leid der Flüchtlinge, das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, aber auch ihre Angst, ihr Heimweh, ihre Sehnsucht nach einem neuen Ort plastisch veranschaulicht.

Die zahlreich vorhandenen Bilder sind überwiegend realistisch gehalten und illustrieren den Text. Zugleich fangen sie die Stimmung des Geschriebenen durch ihre stets düster-melancholisch anmutende Schwarz-Weiß-Kolorierung auf. „Der Klang der Freiheit“ ist ein All-Ages-Buch, das sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen zu empfehlen ist. Jüngere Leser werden Zugang finden über die empörende Ungerechtigkeit, die den Protagonisten der Rahmen- und Binnenerzählung gemein ist. Ältere Leser können gedanklich den Faden über die subversive Kraft der Kunst und der Kunst als Ort des kulturellen Gedächtnisses weiterspinnen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von nma; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 18.02.2019

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