Der Fluch

Autor*in
Larsson, Asa
ISBN
978-3-570-17176-9
Übersetzer*in
Dörries, Maike
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Jonsson, Henrik
Seitenanzahl
156
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2015
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
12,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Brüder Viggo und Alrik sind wieder mal umgezogen, in das zunächst verträumt aussehende Mariefred zu einer neuen Pflegefamilie. Die zugewiesenen Eltern scheinen recht nett zu sein, aber in der Schule gibt es sofort Ärger und dann ist da noch die Finsternis, die stärker wird. Alles deutet darauf hin, dass die beiden Grundschüler im bevorstehenden Kampf eine aktive Rolle einnehmen sollen.

Beurteilungstext

Bei den beiden Protagonisten handelt es sich um Rabenbrüder. Wie sollte es auch anders sein, wenn die Mutter eine Rabenmutter ist, die ihre Sorgen im Alkhohol ertränkt und dann ihre Kinder im Stich lässt. Aber hinter dem Symbol des Rabens, das Viggo und Alrik um den Hals tragen, steckt mehr. Rabenvögel gelten in vielen Kulturen als Vögel, die an der Schwelle vom Diesseits zum Jenseits leben und sich zwischen den Welten bewegen können. Der nordische Götterkönig Odin/Wotan hat zwei Raben zum Begleiter, der deswegen auch als "Rabengott" gilt.
Zu einer anderen Welt, in der die Mythen des europäischen Nordens wahre Tatsachen sind – Imps und Werwölfe in Mariefred auftauchen – erhalten auch die beiden Brüder Zutritt. Es ist eine Bibliothek, bewacht von den ehemaligen Pflegekindern Estrid und Mangar, nahe des königlichen Schlosses Gripsholm. Diese Büchersammlung lockt die finsteren Mächte an, bietet aber auch Mittel zur Verteidigung. Und sie soll der Ort sein, an dem die Rabenbrüder ankommen können, an dem sie – es ist der erste Band einer zehnteiligen Reihe – wahrscheinlich ihren Platz im Leben, d. h. ihre Bestimmung finden werden.
Die Bibliothek, die Welt zu der sie Zutritt gewährt, funktioniert nach eigenen Regeln. Hier zählt die Vorgeschichte nicht, das Stigma "Pflegekind = schwieriges Kind", nur das, was sie sind und was sie können. Das Schicksal der Welt hängt davon ab.
Es liegt nahe, die Bibliothek als Symbol für die reale Begegnung mit phantastischen Textwelten durch das Lesen zu sehen. Das vorliegende Buch, stellvertretend für viele andere, bietet allen, im Alltag unangepassten Lesern eine Alternative, eben eine Welt, in der andere Regeln gelten, die überschaubarer, sinnvoller und interessanter ist als das eigene Leben. So macht das Buch Mut gegen die Dunkelheit der Vorurteile, eigener und fremder, anzutreten und sich den finsteren Mächten im Alltag – erlittenen Ungerechtigkeiten, unglücklichen Entscheidungen, Schicksalschlägen – zu stellen.
Die Bibliothek als Handlungsmotiv betrachtet, erweist sich im ersten Band einer Reihe als geschickte Strategie. Als unbestimmter und unbestimmbarer Raum, der nicht nur mit Büchern, sondern mit mysteriösen Gegenständen und alchemistischen Zutaten vollgestopft ist, bietet sie sich als ein unerschöpfliches Reservoir intertextueller Verweise an, die immer wieder zum Anfang für neue Geschichten werden können.
Die Geschichten werden schnell und actionreich erzählt. Meist in einzelnen Hauptsätzen werden Orte, Figuren und Handlungen gerafft präsentiert. Als erwachsener Leser wünscht man sich, das Buch hätte mehr als 156 Seiten, weil es so schnell zu Ende ist. Im ersten Band steht auch Vieles noch auf Anfang, gerade so viel, dass die Vorstellungskraft angeregt und die Neugier geweckt ist. Es zeichnet sich eine Differenz zwischen den Brüdern ab: Werden sie unterschiedliche Fähigkeiten entwickeln, magibegabter Kämpfer und Gelehrter sein, wie Estrid und Mangar? Hat ein Werwolf die Hirsche aus dem Schlosspark auf dem Gewissen? Wie wird der Konflikt mit dem gleichaltrigen Simon enden? Und werden die netten Pflegeeltern hinter das neue Geheimnis kommen?
Die Spannung und finstere Atmosphäre des Buches wird von den schwarz-weißen Comiczeichnungen unterstützt. Die meist ganzseitigen Strips bestehen in der Regel aus zwei bis fünf Panels. Sie skizzieren nicht nur Handlungsräume oder die Umrisse der Figuren. Zwar wird immer wieder kritisiert, dass die eigene Kreativität des Lesers durch zu viel Vorgaben eingeschränkt werde, aber hier sind die Illustrationen eine Bereicherung. Durch den Fokus auf einzelne Situationen eines größeren Handlungszusammenhangs wird filmisches Vorstellungsvermögen aktiviert. Die Lesenden werden in eine Szene der Geschichte hineingenommen und haben von dort aus die Gelegenheit, sich die weiteren Ereignise multiperspektivisch auszumalen.
Der Stil der Zeichnungen, insbesondere die Darstellung des Imps am Anfang erinnert an die Rattenmonster der Comicserie Bone von Jeff Smith. Bei der Zusammenstellung der Panels fallen auch Parallelen zum japanischen Manga auf, z. B. zur Serie "Conan", – beides ergibt eine Mischung aus Dark Fantasy und Kriminalerzählung.
So hat dieser Band eigentlich für viele Leser etwas: Er greift mit den Pflegekindern ein lebensweltliches Problem auf. Er hat nordisches, ländliches Flair. Er bietet eine Begegnung mit dem Mystischen, Stoff für Abenteuer und bisschen Thriller für die Alltagsübersättigten.
[Thomas Bitterlich]

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ThoBi; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 11.07.2016

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