Das Vier-Farben-Land

Schlagwörter

• Freundschaft
• Kulturen

Teaser

Erbs wächst im grünen Viertel des Vier-Farben-Landes auf. Alles ist hier grün: sogar die Wünsche. Geht es nach den Erwachsenen soll das auch so bleiben: jedes Farb-Viertel hat seine eigenen Spiele, Lieder und Regeln. Erbs macht das sehr unglücklich. Er mag alle Farben. Eines Tages macht er sich auf den Weg zur Landesmitte, wo alle Länder aufeinander treffen. Gemeinsam mit den anderen Kindern schafft er es, die Grenzen zu verwischen. Es geschieht das Unmögliche: die Welt wird endlich bunt.

Beurteilungstext

Der Klappentext verspricht: ein Bilderbuch mit ""einer großen Botschaft: Sei offen für andere - dann wird das Leben bunt und reich."" Ein hoher Anspruch, den es zu erfüllen gilt. Mit kleineren Abzügen bezüglich der bildnerischen Ausgestaltung am der Ende der Geschichte gelingt das dem Autoren-Künstler-Duo Gina Ruck-Pauquet und Ulrike Baier hier sehr gut.
Für die jüngeren Buchbetrachter (empfohlenes Alter: ab 3 Jahre) dürften sicherlich zunächst die Besonderheiten der Farb-Viertel und ihre Bewohner am interessantesten sein. Die proklamierte Offenheit für das Andersartige kann hier noch nicht erkannt werden. Muss sie auch nicht, regen die Darstellungen der jeweiligen Länderteile die kindliche Fantasie ebenso gelungen an. Der Text ist einfach gehalten und fordert durch wiederkehrende Muster zu Beginn der Geschichte zum Mitsprechen auf. Derartige Wiederholungen helfen beim inhaltlichen Erfassen und lassen dem jungen Zuhörer gleichzeitig Raum, sich intensiv der Bildbetrachtung zu widmen. So kann Farbenlernen auch funktionieren und Spaß machen.
Etwa in der Mitte des Buches gewinnt die Geschichte dann an inhaltlichen Tiefgang. Der Leser erfährt in kleinen Häppchen, dass die in sich abgetrennten und scheinbar funktionierenden Farbenwelten eben doch nicht problemlos nebeneinander existieren. Mit dem kleinen Jungen Erbs, der im grünen Viertel aufwächst, wird eine Identifikationsfigur präsentiert, die den Zweifel an diesen Farbgrenzen und den damit verbundenen Vorurteilen der Erwachsenen ein Gesicht verleiht. Je älter der Leser ist, desto leichter wird es ihm nachfolgend gelingen, die aufkeimenden Widerstandsgedanken der Hauptfigur nachzuempfinden.
Gibt es eigentlich eine richtige Farbe? Was ist der Unterschied zu einer falschen Farbe? Ist nicht jede auf ihre besondere Weise schön? Was heißt es, anders zu sein und wie gehe ich damit um? Fragen, die sich im Text so nicht finden lassen, die also im Gespräch mit dem Buchbetrachter gesucht und gefunden werden müssen. Damit das Buch den eingangs beschriebenen Anspruch vollständig gerecht werden kann, empfiehlt es sich also, den kindlichen Leser mit der inhaltlichen Auseinandersetzung nicht allein zu lassen, sondern diese zu begleiten. Auch die Tatsache, dass es am Ende die Kinder schaffen, die Grenzen zu überwinden, die Erwachsenen aber nicht, muss aufgegriffen und hinterfragt werden.
Abschließend stellt sich lediglich die Frage, warum sich die Künstlerin am Ende des Buches, als nun ""jedes Kind jede Farbe hat"" und demnach ""in jeder Farbe denken, fühlen, träumen und sich etwas wünschen kann"", in ihrer bildlichen Darstellung einzig für Kinder mit weißer Hautfarbe und scheinbar ohne Beeinträchtigungen jeglicher Art entschieden hat. Andere ethnische Herkunftsländer oder andere Formen einer möglichen Diskriminierung werden bewusst oder unbewusst ausgelassen. Eine solche Vielfalt hätte den Grundgedanken des Buches möglicherweise bis zuletzt zu Ende geführt, anstatt an dieser Stelle eine Leerstelle aufzutun.