Das Leben ist komisch

Autor*in
Frank, E.R.
ISBN
978-3-407-80898-1
Übersetzer*in
Brandt, Heike
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
280
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2002
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Autorin gibt Jugendlichen aus der Bronx in New York eine authentische Stimme. Die Lebensgeschichten von China, Ebony, Lebkuchen, Grace oder Eric u.a. sind in zufälligen Begegnungen oder auch intensiven Kontakten miteinander verbunden und geben einen knallharten, realistischen Einblick ins Leben der Underdogs.

Beurteilungstext

“Das Leben ist komisch” - das sagt Lebkuchen, einer der 11 Jugendlichen, die in diesem Roman über sich und ihr Leben erzählen. Lebkuchen heißt so, weil er wie ein Lebkuchenmann aussieht. Er ist fast der einzige, der in einer normalen, liebevollen Familienatmosphäre aufwächst, was ihn zu einem sehr ausgeglichenen und freundlichen Charakter macht. Er wurde als Crack-Kind adoptiert und hat großes Glück gehabt, was ihm sehr bewußt ist, so jubelt er z.B. als er merkt wie sehr seine Freunde seinen Vater mögen: ...weil ich froh bin, ... weil das mein an der Wallstreet arbeitender, Basketball spielender, mir bei den Hausaufgaben helfender, früh nach Hause kommender und für Mama Essen kochender echter Mann Daddy ist und danke dir Herr, Jesus, Gott, Allah, Buddha und Wemauchimmer für alles, was ich habe.” (S. 183)
Sein Vater ist auch fast die einzig positive Männerfigur in einer Welt die bestimmt ist von Drogen, Alkoholismus, Verwahrlosung, Misshandlungen und Einsamkeit. Männer tauchen nur am Rand auf, denn sie entziehen sich fast immer ihren erzieherischen Pflichten, so dass das Leben der Jugendlichen geprägt ist von alleinerziehenden Müttern, die oft völlig überfordert und überlastet ist. Da ist z.B. Grace unberechenbare Mutter, die ihr fast die Chance auf eine Karriere als Model vermasselt, weil es ihr nicht in den Kram passt. Oder da ist die Mutter von Monique und Molly, die zwar etwas Geld durch ihre Arbeit in einem Friseurladen herbeischafft, aber keinerlei Verantwortung für ihre Kinder übernimmt, so dass die ältere Molly sich um die 16jährige Monique kümmert, die sich von ihrer Fehlgeburt und dem Schmerz erholen muss. Oder da ist Keisha, die bei ihrer Tante Eva aufwächst und deren Mutter vor Jahren verschwunden ist, um plötzlich hochgradig alkoholkrank und schwanger aufzutauchen.
Und da sind Eric und Mickey, deren Mutter aufgegriffen wurde und die nun in ein Heim sollen. Eric erhält sich nur am Leben, weil er sich um seinen kleinen Bruder kümmern muss und will und weil er sich “Tüten baut”, d.h. Haschisch raucht. Diese beiden Jungen kommen schließlich in eine Pflegefamilie. Die Pflegemutter ist Schreiberin am Gericht und wird von ihrer Tochter Linnette so zitiert: “Es gibt auf der Welt sehr viel mehr wirklich Gutes und wirklich Schlechtes, als sich die meisten Menschen vorstellen können.” (S. 251) Linnettes geliebter kleiner Bruder ist gestorben, so haben sich die Eltern dazu entschlossen, ein Kind zu adoptieren. Vielleicht haben Eric und Mickey hier eine echte Chance...
Dies ist im übrigen eine der großen Stärken des Buches, dass nicht die mitleiderregende und furchtbare Situation mancher dieser Jugendlichen einfach so stehen bleibt, sondern dass sie Erfahrungen der Zuwendung, der Aufmerksamkeit und der echten, selbstlosen Liebe machen können. Z.B. Monique, die in ihrem Hass auf sich selbst zunächst gar nicht glauben kann, dass jemand sie um ihrer selbst willen mögen kann - aber genau das tut Hector, der Krankenpfleger. Oder Keisha, die von Lebkuchen heftig und zärtlich geliebt wird, so dass sie auch für sich wieder Lebensmut finden kann. Oder Sonia aus Pakistan, die fast daran zerbricht, dass sie heimlich und in Briefen einen Jungen geliebt hat, der Selbstmord begangen hat. Wäre da nicht Sam, der sie schön findet und es ehrlich mit ihr meint.
Wie es bei all den Jugendlichen weitergeht, nach den beschriebenen 7 Jahren, bleibt offen, aber Möglichkeiten sind angedeutet, so dass man das Buch trotz aller Traurigkeit und Schwere mit einem Anflug von Hoffnung - nach einer atemlosen Lektüre - aus der Hand legt.
Besonders beeindruckend finde ich die literarisch sehr spannende perspektivische Erzählweise und die Verwobenheit der Protagonisten. So sind diese Verbindungsnetze manchmal sehr intensiv - Freundschaften, Liebesbeziehungen -, manchmal nur sehr am Rande oder zufällig - in der Autowerkstatt, im Friseurladen, auf dem Schulhof.
Ich finde dieses Buch ein sehr überzeugendes Beispiel für einen realistischen, authentischen und wahren Roman über das Leben von Jugendlichen in unseren Städten - sie brauchen so viel Mut, und kämpferische Energie um sich zu behaupten - das muss man sich immer wieder klarmachen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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