Ich bin Amerika

Autor*in
Frank, E.R.
ISBN
978-3-407-80940-7
Übersetzer*in
Brandt, Heike
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
248
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2005
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
16,50 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Amerika ist sechs, als er für ein Wochenende seine Pflegemutter verlassen muss, um die leibliche Mutter zu besuchen. Alles geht schief. Die Mutter verlässt Amerika und seine beiden wenig älteren Brüder. Amerika geht verloren in Brooklyn aber überlebt - irgendwie.

Beurteilungstext

Wenn dieser Besuch bei der leiblichen Mutter Amerika nicht aufgezwungen worden wäre, hätte der nette kleine Junge vielleicht ganz normale Entwicklungschancen gehabt. Vielleicht. Aber die Pflegemutter Mrs. Harper ist recht alt, Gefühle mag sie nicht zeigen, sie erkennt auch nicht, wer ihr hilfreicher Halbbruder Browning wirklich ist. Amerika und seine beiden Brüder leben eine Weile verlassen in Brooklyn, die Älteren machen dem Kleinen vor, wie man überlebt: Hart muss man sein, böse und sich nehmen, was man braucht. Amerika schickt sich, er will leben und hofft immer, dass er doch gerettet wird.
Man findet die verwahrlosten Kinder. Nach kurzem Heimaufenthalt kehrt Amerika zurück zu Mrs. Harper. Amerika ist glücklich, aber muss nun lesen lernen, ehe er in die Schule kann. Browning, ein einsamer Mann, lebt inzwischen bei Mrs. Harper und gibt Amerika viel Hilfe. Bis er glaubt, Amerika sei nun alt genug ein Mann zu werden. Er traktiert den Zehnjährigen mit Alkohol, Pornos und Zuwendung, die dem Jungen schließlich nur noch furchtbar ist. Browning vergewaltigt ihn und hüllt ihn ein in die bei Kindesmissbrauchern so üblichen erpresserischen Bedrohungen. Amerika ist hilflos, gerade hatte er in der Schule das Ziel erreicht, normalen Unterricht besuchen zu können, er hat Freunde. Er flieht schließlich aus Mrs. Harpers Haus, nimmt sich Geld und legt in Brownings Zimmer Feuer. In New York hat er Glück, jemand nimmt sich seiner einfach freundlich an. Ty gibt ihm warme Kleidung, Unterkunft ohne etwas dafür zu verlangen. Als Ty wegen Dealerei verhaftet wird , überlässt Amerika sich erschöpft der staatlichen Fürsorge. Es braucht Jahre in therapeutischen Einrichtungen, ehe Amerika in einer betreuten Wohngemeinschaft wieder beginnt zu leben.
Ein grauenvolles Schicksal wird hier erzählt, auf zwei Ebenen, die der Leser selbst miteinander verknüpfen muss. Gerade am Anfang ist das nicht einfach. Es gibt den aktuellen Erzählstrang. Amerika zeigt sein Leben in Ridgeway, der psychotherapeutischen Klinik für Jugendliche. Lakonisch, knapp gibt er die quälenden Sitzungen mit Dr. B. wieder, kommentiert das Geschehen. Lange sperrt sich Amerika, bleibt verschlossen und versucht, seinen Therapeuten herauszufordern, schließlich mit einem tätlichen Angriff. Diese mit Jetzt überschriebenen Kapitel wechseln ab mit Berichten, die das Damals zeigen. Langsam versteht der Leser, was Amerika zu dem gemacht hat, der da schweigend vor Dr. B. sitzt. Und man erkennt, warum Amerika sich selbst als Fremden sehen muss, neben sich steht. Dank auch der Beharrlichkeit des Dr. B. findet Amerika sich schließlich wieder. Beide Ebenen werden dem Leser ganz direkt gezeigt, er selbst muss verstehen, werten, einordnen.
Amerikas Geschichte zeigt ein Schicksal, von dem erwachsene Leser wissen, es ist sehr wirklich. Viele Jugendliche erleben Ähnliches. Erwachsene Leser verstehen die Andeutungen, erkennen Zusammenhänge. Zu junge Leser haben weniger Möglichkeiten, eigene Erfahrungen mit dem fiktiven Geschehen zu verknüpfen. Also bitte nicht zu früh zur Lektüre anbieten! Aber alle, die mit Jugendlichen zu tun haben oder sich auf berufliche Arbeit mit Jugendlichen vorbereiten, sollten Amerika kennen. Wer mit ihm gelitten hat, hat Erfahrungen gesammelt, die helfen können.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Pfn.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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