Aufs Ganze gehen

Autor*in
Wich, Henriette
ISBN
978-3-551-31540-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
108
Verlag
Carlsen
Gattung
Taschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
4,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Zwei jugendliche Banden haben eine Wette abgeschlossen, wer die riskantesten Tate beziehungsweise Untaten vollbringt. Diese sollten jeweils als Beweis gefilmt werden und an die Konkurrenten geschickt werden. Die Unterlegenen müssen für die Sieger eine Party mit viel Bier spendieren. Eine Wette, die üble Folgen hat.

Beurteilungstext

Diese Geschichte zeigt, wie junge Menschen von ihrer Clique beeinflusst werden und wie relativ machtlos Eltern oder Lehrer dabei sein können. Ja, sie zeigt sogar, dass erst sehr viel Unheil geschehen muss, bis die jugendlichen „Helden“ zur Vernunft kommen und von ihren falsch verstandenen Ehrbegriffen abrücken. Möglicherweise hatte die Autorin das Anliegen, ihre jugendliche Zielgruppe zum Nachdenken zu bringen. Dieser Versuch ist ehrenwert, ob er erfolgreich sein kann, sei dahin gestellt. Der 15jährige Marvin erzählt selbst, wie er die Ereignisse in der Clique mit Erdal, Justin und ihrem Anführer Kilian, der den beziehungsreichen Namen Killer trägt, erlebt. Die Jungs haben keinen Bock mehr auf Schule und möchten im letzten Schuljahr nur noch „um die Häuser ziehen“ und Spaß haben. So kommt es zu der unseligen Wette mit „Kay One“ und seiner Truppe. Mit Bier, einigen Joints und vielen Dosen Farbe bepackt, beginnen die nächtlichen Ausflüge der Killer-Clique. Die Graffitis an den Pfeilern einer Autobahnbrücke erfüllen alle mit Stolz. Noch mehr freut sie, dass sie den „Bullen“ knapp entkommen sind. Dies macht Mut und befeuert die beiden Bandenchefs und ihre Anhänger zu immer riskanteren Aktionen. Zum Höhepunkt dieses mörderischen Wettbewerbs wird schließlich das S-Bahn-Surfen. Alles wird sorgfältig auf Video gebannt und an die Konkurrenz versandt. Beim Roof-Ride wird Erdal zum Helden: „War das krass, so was Geiles habe ich noch nie erlebt…“ Marvin springt deshalb als Nächster. Auch er jubelt. Dann trifft ihn ein Schmerz im Arm und er fällt in die schwarze Nacht. Auf der Intensivstation wacht er mit Verbrennungen am Arm und einer Gehirnerschütterung wieder auf. Begeistert schwärmt er von seinem Erlebnis, und nun wollen es die drei Kumpels selbst erfahren. Bei dieser Mutprobe trifft der Funkenflug Erdal, und ihm muss danach der Arm amputiert werden. Erst jetzt bekommt Marvin Gewissensbisse. Erst jetzt sieht er, wie sehr die Gruppe ihrem Anführer hörig war und sich durch ein zweifelhaftes „Ehrgefühl“ zum Mitmachen verpflichtet hatte. Killer, so zeigt sich jetzt, ließ in gefährlichen Situationen gerne den anderen den Vortritt, er war der Kameramann und ein Feigling. Mitgefühl war ihm offensichtlich fremd, nur die Wette und das Besäufnis zählten. Er wollte dieses „schlimmste Video aller Zeiten“, den Sturz von Erdal, nicht nur an die „Kay One“-Truppe senden, sondern auch ins Internet stellen. Dies bedeutete das Ende der Clique. Gerne möchte man diese Geschichte als abschreckendes Beispiel weiter empfehlen. Leider sind die riskanten Abenteuer und der Nervenkitzel dabei von Marvin so begeistert und ausführlich beschrieben, dass man sie beim Lesen gerne miterlebt. Die negativen Folgen, wie der Kummer der Eltern, die Schmerzen, die Enttäuschung über den „verehrten“ Banden-Chef, die Empfindungen der gegnerischen Clique werden fast nicht geschildert. Das konnte der Ich-Erzähler Marvin auch nicht leisten. Zweifellos haben Fünfzehnjährige Gefühle, die sie aber kaum ausdrücken können. Marvin versucht es auf unbeholfene Art, und so entsteht keine Nähe. Hier wäre die Autorin die geeignetere Erzählerin gewesen. Es bleibt der Eindruck, dass auch ein amputierter Arm nicht allzu schlimm sein kann… Ganz fatal ist an dieser Geschichte aber, dass diese gefährlichen Eingriffe in den S-Bahn-Verkehr keinerlei Folgen für die Jungs und ihre Familien haben. Die „Bullen“ erwähnen wohl eine mögliche Strafe von 50 000 Euro, die später aber aus ungenannten Gründen erlassen wird. Die Sprache ist der temporär gültigen Jugendsprache geschuldet. Ob die angesprochene Zielgruppe überhaupt liest und ob sie die richtigen Schlüsse aus der Geschichte zieht, darf bezweifelt werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von gem; Landesstelle: Baden-Württemberg.
Veröffentlicht am 29.12.2016

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