Alles andere als normal

Autor*in
Isermeyer, Jörg
ISBN
978-3-407-82047-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
216
Verlag
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
Weinheim
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Lukas ist glühender Star-Wars-Fan und findet sich ansonsten stinknormal und langweilig. Dann trifft er Jule und gerät in abenteuerliche Unternehmungen, die ihn unvorhergesehen in Bewegung bringen. Jule ist irgendwie seltsam. Mit der Entdeckung der Fahrraddiebe ändert sich schlagartig die gesamte Situation. Jule erkennt ihren Bruder unter den Dieben. Was soll sie nun tun? Und, wie verhält sich Lukas?

Beurteilungstext

Der zwölfjährige Lukas Erdmann wächst in einem sehr behüteten und kontrollierenden Elternhaus als Einzelkind auf. Er selbst findet sich ausgesprochen normal und damit stinklangweilig. Zwei Besonderheit heben ihn allerdings deutlich hervor: seine Belanglosigkeit und sein Fan-Kult als leidenschaftlicher Star-Wars-Fan. Er kennt die Bücher und Filme und erlebt im Computerspiel die Abenteuer seiner Helden Luke Skywalker oder Prinzessin Leia mit.
Schon in der ersten Begegnung mit Jule offenbart sich die Verschiedenartigkeit der beiden Protagonisten. Er absolut angepasst und nur in der Phantasie der Star-Wars-Welt zu außergewöhnlichen Aktionen bereit - sie das freche, eigenwillige und durchsetzungsstarke Mädchen. Sie wirbelt Lukas geordnetes Leben völlig durcheinander. Anfangs strauchelt er mehr in das Abenteuer hinein, weil er sich von der impulsiven Jule stark angezogen fühlt. Er geht mit, wenn sie fremden Menschen hinterher spioniert, sich deren Leben schaurig schön zu Recht fantasiert und immer wieder leichtfüßig Grenzen überschreitet. Über ihr Leben erfährt er lange nichts.
Die Leichtigkeit einer Abenteuergeschichte ist genau in dem Moment vorbei, als sie auf einer ihrer Streifzüge durch die Straßen Berlins einer Bande von Fahrraddieben auf die Spur kommen. Jule erkennt ihren eigenen Bruder. Hier fällt der Roman aus dem üblichen Rahmen heraus. Die beiden Protagonisten erleben und reagieren auf das Folgende in unterschiedlicher Weise. Sie müssen sich mit gänzlich anderen familiären Verhältnissen auseinandersetzen, haben andere Tabus und können nicht offen miteinander reden. Ihre Freundschaft droht ins Aus zu kippen. Mit der wechselnden Innensicht erfährt der Leser aus Jules (dunkle Seiten) oder aus Lukas Sicht (helle Seiten) den weiteren Handlungsverlauf. Der Leser ist den beiden Hauptfiguren manchmal eine kleine Nuance voraus, das sind bedeutsame Momente, um zu vergleichen und zu reflektieren. Dem Autor gelingt es hervorragend, die unterschiedlichen Perspektiven auch sprachlich vortrefflich einzufangen. Die Färbung der Seiten unterstützt die abwechselnde Innensicht und gliedert zusätzlich das Buch. Glaubenssprüche aus der Star-Wars-Reihe machen mit den Metaphern das Lesen trotz des ernsten Themas zum unterhaltsamen und leicht lesbaren Vergnügen.
Eine super gute Einheit aus Inhalt und Form.
Viele schlagfertige Dialoge machen das Lesen zum Genuss, die Herkunft aus der Theaterfeder ist erkennbar. Als Theaterstück hat die Geschichte von Jule und Lukas den Berliner Kindertheaterpreis erhalten. Insbesondere die Szene in der Polizeiwache ist mit origineller Situationskomik absolut genial und lässt das Kopfkino in Farbe laufen.
Mit den beiden Hauptfiguren schildert der Autor Jörg Isermeyer lebensnah das schwierige Leben Jules. Als alleinerziehende Mutter, mit unterbezahlten Jobs und damit wegen ständiger Geldsorgen überfordert, erkennt sie die Hilflosigkeit Jules und des älteren Bruders nicht. Jule schwänzt die Schule, ihr Bruder verstrickt sich in kriminelle Machenschaften. Durch die zufällige Entdeckung kommt mit der Erschütterung endlich Bewegung in die vertrackte Familiensituation, der sich alle stellen müssen. Letztlich wird alles gut und das ist zu sehr dem Happy-End Gedanken geschuldet. Doch die Grundidee - Wege entstehen beim Gehen - ist interessant und beeindruckend umgesetzt.
Bemerkenswert gestaltet der Autor Lukas Figurenentwicklung. Lukas aktiviert ganz allmählich eine innere Stärke, die er anfangs noch bei seinen Star-Wars-Figuren abschaut. Seine Figuren leiten ihn das Richtige zu tun. Er ist auf der Suche nach der richtigen Wahrheit und versucht, Gut von Böse ganz wie in Star-Wars zu unterscheiden. Ihm gelingt es, die Freundschaft zu Jule auf eine neue Ebene zu stellen und sich bei seinen Eltern die erforderliche Distanz zum Erwachsenwerden zu verschaffen. Ganz wesentlich ist auch, dass er einen Zugang von seiner Star-Wars-Welt in die Realität gefunden hat.
""Alles andere als normal"" ist eine anregende, spannende und temporeiche Geschichte über eine spezielle Freundschaft in unserer Gesellschaft. Empfehlenswert für alle ab 11 Jahren, egal ob Star-Wars-Fan oder noch nicht. Mit dem sehr guten Glossar erhält der Leser die nötigen Hinweise zu den Star-Wars-Figuren und wird vielleicht doch noch zum Fan. Ein eher unscheinbarer Effekt, Lesen hilft - das Identifzieren mit Helden aus Büchern und Serien bereichert das eigene Leben ganz entscheidend.
Für den Deutschunterricht eine Lektüre mit vielen aktuellen Zugängen!
Das Buch ist für den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis 2014 nominiert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Han.
Veröffentlicht am 01.01.2010

Weitere Rezensionen zu Büchern von Isermeyer, Jörg

Isermeyer, Jörg

Dieses Tier bleibt jetzt hier

Weiterlesen
Isermeyer, Jörg

Dieses Tier bleibt jetzt hier!

Weiterlesen
Isermeyer, Jörg

Meine wilde Wut

Weiterlesen
Isermeyer, Jörg

Die Brüllbande

Weiterlesen
Isermeyer, Jörg

Max' Mütze

Weiterlesen
Isermeyer, Jörg

Alles andere als normal

Weiterlesen