Alles andere als normal

Autor*in
Isermeyer, Jörg
ISBN
978-3-407-74700-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
213
Verlag
Gattung
Krimi
Ort
Weinheim
Jahr
2016
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der zwölfjährige Lukas findet sich und sein Leben als überbehütetes Einzelkind eher langweilig, ja fast bedeutungslos. Als er eines Tages auf dem Weg aus der Schule zufällig Jule begegnet, die gerade dabei ist, einen fremden Mann in seiner Wohnung zu beobachten, verändert sich plötzlich alles in ein reines Abenteuer. Denn Jule lebt völlig unkonventionell und verpackt ihren Alltag in ein Spiel – bis es auf einmal ernst wird...

Beurteilungstext

Jörg Isermeyers Jugendroman ist eine Art Roadmovie, der zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung nun als Taschenbuch vorliegt. Er bietet viele Möglichkeiten des literarischen Lernens, hat einen relativ hohen Unterhaltungswert sowie ausreichend Potential für Identifikationsprozesse. Gerade deshalb kann dieses Buch sowohl passende Freizeitlektüre als auch gemeinsamer Lesestoff in der unteren Sekundarstufe darstellen.

Erzählt wird die Geschichte zunächst aus der Sicht von Lukas Erdmann. Er wächst in Berlin in einem gut situierten Elternhaus auf und verbringt seine Freizeit am liebsten mit Star-Wars-Filmen oder Computerspielen. Sein Handy hat eigentlich nur die Funktion, dass seine Mutter kontrollieren kann, wo er gerade steckt und wann er nach Hause kommt. Aus der Ich-Perspektive erzählt Lukas also in 26 Kapiteln, wie sich sein ruhiges Leben durch die unerwartete Freundschaft zu Jule verändert.

Sein trockener Erzählstil, der mit zahlreichen Dialogen durchsetzt ist, lässt einen guten Lesefluss zu. Außerdem spricht er die Leser an einigen Stellen an, sodass sich auch leseunerfahrene Jugendliche sofort in die Thematik eindenken können. So betont er schon zu Beginn des Buches, dass er eigentlich nicht seine, sondern Jules Geschichte erzählt. Sie ist nämlich das genaue Gegenteil von ihm, was besonders von ihrer andersartigen Sozialisation abhängt. Ihr Vater ist nach ihrer Geburt abgehauen und so lebt sie mit ihrem Bruder und ihrer alleinerziehenden Mutter in einer kleinen Wohnung. Vormittags schwänzt sie oft die Schule und ihr Bruder fälscht ihr die dazu passenden Entschuldigungen. Dann lässt sie sich durch die Straßen treiben und beschattet zufällig ausgewählte Menschen, die sie manchmal mehrere Stunden heimlich verfolgt. Das ist ihr Lieblingsspiel.

Da sie Lukas immer häufiger vor der Schule abfängt oder unangekündigt bei ihm zu Hause auftaucht, ziehen sie nun auch gemeinsam los. Eines Tages kommen sie dabei einer Diebesgruppe auf die Spur, die Fahrräder in einer Lagerhalle deponiert. Erschrocken stellt Jule fest, dass ihr eigener Bruder in den Coup verwickelt ist. So beginnt für sie neben dem eigentlichen Spaß ein Entscheidungsspiel zwischen den Themenfeldern Familie, Freundschaft und Moral. Soll und darf sie ihren eigenen Bruder verraten?

Diese innere Zerrissenheit wird parallel zu Lukas' Darstellungen in 14 weiteren Kapiteln entfaltet, die zwischen die Passagen von Lukas geschaltet sind. Sie unterscheiden sich auf dreifache Art von dem übrigen Text: Zum einen erzählt hier Jule aus ihrer Perspektive, allerdings nicht in dem narrativen Stil von Lukas, sondern in einer außergewöhnlichen Du-Perspektive mit einem sehr viel raueren Umgangston. Es scheint, als ob sie sich für ihre eigene, verfahrene Situation rechtfertigen möchte. Zum anderen sind ihre Textanteile sehr viel geringer, was auf ihre Sprachlosigkeit und Ohnmacht hindeuten könnte. Des Weiteren sind ihre Parts auf grau hinterlegten Seiten gedruckt, sodass die Jugendlichen den Perspektivwechsel auch typografisch schnell wahrnehmen können.

Die Dramatik der Situation spitzt sich zu, bis alle Beteiligten auf dem Polizeirevier Anzeige erstatten wollen. Jedoch ist die Lage mittlerweile so verzwickt, weil Lukas' Mutter denkt, Jule selbst sei in kriminelle Machenschaften verwickelt und will Lukas mit verantwortlich machen. Erst im Epilog klärt sich alles auf: Jules Bruder stellt sich selbst der Polizei und erhält als Jugendlicher eine Strafe mit Sozialstunden. Sowohl Jule als auch Lukas haben in dieser Geschichte einen echten Reifeprozess durchlebt und sind dadurch freundschaftlich sehr stark miteinander verbunden worden.

Insgesamt werden viele Themen des Erwachsenwerdens angesprochen und in einen interessanten Plot integriert. Durch die männliche und die weibliche Hauptfigur können sich hier grundsätzlich alle Jugendlichen gendergerecht wiederfinden. Den Roadmovie-Charakter erhält das Buch durch die intertextuellen Bezüge zu Star Wars (im Anhang findet sich dazu ein passendes Glossar) und die Tatsache, dass viele Passagen auf der Straße spielen.
Kritisch anzumerken bleibt auf der einen Seite der sehr konstruierte Plot, der durch die unterschiedlichen Erzählstile des vorbildlich sozialisierten Lukas und der "Straßengöre" Jule noch einmal unterstützt werden. Zum anderen werden hier gesellschaftskritische Stigmata gesetzt, dass die häuslichen Erfahrungen sofort Einfluss auf die persönlichen Entwicklungen haben. Vielleicht kann aber gerade dieser Fakt einen wertvollen Gesprächsanlass eröffnen und den Jugendlichen eigene Lebenserfahrungen besser reflektieren lehren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 22.09.2016

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