All die Farben, die ich dir versprach

Autor*in
Katouh, Zoulfa
ISBN
978-3-7513-0047-6
Übersetzer*in
Khayat, Rasha
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
400
Verlag
Dressler
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
22,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Salama, Layla, Kenan und ihre Familien leben mitten während der syrischen Revolution in Homs und sind täglich von Scharfschützen, Bomben und Gefahr umgeben. Ein Verlassen des Landes kommt einem Verrat an den Hilfsbedürftigen gleich, gleichzeitig scheint ein Überleben im Land immer mehr unmöglich zu sein. Die Möglichkeit, im Ausland mit der Hilfe digitaler Medien weiterzukämpfen, erleichtert schließlich die Entscheidung das Land doch zu verlassen.

Beurteilungstext

Gleich vorab: die Revolution in Syrien, die seit März 2011 gegen das brutale Militär andauert, ist vor allem in der letzten Zeit durch den Krieg zwischen der Ukraine und Russland sehr in den Hintergrund gerückt. Ebenso wie der Krieg im Jemen spielen die weltweiten Auseinandersetzungen kaum noch eine Rolle in der deutschen Medienlandschaft und auch nicht in der Literatur. Und doch wird weiter gefoltert, gelitten, getötet, vergewaltigt und verschleppt. Insofern ist der Roman eine mehr als deutliche Aufforderung, sich wieder mehr auch mit diesen Ländern zu befassen und zu begreifen, dass der Freiheitskampf weltweit mit unverminderter Härte weitergeht. Darauf verweist auch der Hinweis auf möglicherweise triggernde Themen am Anfang und am Ende des Buches: S. 399 Auflistung potenziell triggernder Inhalte: Krieg, körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt, Tod, Verlust und Trauer. Diese Stichwörter stehen lobenswerter Weise am Schluss des Buches, um Spoiler zu vermeiden.
Meine Aufgabe aber ist die Einschätzung eines literarischen Werkes. Die sehr emotionale und blumige Sprache der Autorin kann LeserInnen in ihren Bann ziehen, kann aber auch genau das Gegenteil bewirken: Distanz und Zurückhaltung. Kulturelle Unterschiede und verschiedene Sprach-und Lesegewohnheiten mögen bei der jeweiligen Reaktion eine Rolle spielen.
Aussagen wie „die Eltern wussten sofort, dass Hamza ein Genie ist“ (S. 33) drücken die extreme Verehrung der Protagonistin für ihren verschleppten Bruder aus und spiegeln den Sprachstil der Autorin. Auf S. 111 ein weiteres Bespiel für den erwähnten Pathos: „ Ich hasse ihn dafür, dass er von unserer Angst profitiert. Ich könnte ihm Laylas Gold als Preis anbieten, aber mein Stolz lähmt meine Zunge.“ Auch die extrem häufige Beschreibung der Schuldgefühle Salamas wirken ermüdend, sie fühlt sich für alles und jeden verantwortlich und schuldig, wenn sie nicht helfen kann. Die Liebesbeziehung zu Kenan, dessen Schwester sie retten konnte, entwickelt sich vorsichtig und nachvollziehbar. Allerdings erscheint es mir seltsam, dass sie erst Wochen, nachdem sie verheiratet ist den Hijab ablegt und vorsichtig auch körperliche Nähe zulässt. Allerdings unterbricht sie den ersten richtigen Kuss mit ihrem Schuldgefühl, weil sie die Passage nach Europa mit einer Erpressung des Schleusers erzwungen hat: sie half der Tochter des Schleusers nach einer Verletzung nur, nachdem er ihr ein Boot versprochen hat. Diese absolut verständliche Handlung wird von ihr als „Gutmensch“ wieder mit einem Schuldgefühl belegt. Salamas Traumata zeigen sich auch an zwei Figuren: Khawf, von dem von Anfang an klar ist, dass er nur eine Halluzination ist und Layla, bei der man erst nach ca. 300 Seiten erfährt, dass auch sie schon lange tot ist. Die Beziehung zu dieser schwangeren Freundin und Schwägerin nimmt einen Großteil des Buches ein und ist ebenfalls sehr stark von Pathos gekennzeichnet: S. 114: „Du hast versprochen, Layla zu retten. Und dich selbst. Du würdest versuchen, wieder gutzumachen, dass Mama sterben musste. Du wirst doch dein Versprechen nicht brechen, oder?“ Dieses Versprechen an den verschwundenen, verhafteten Bruder zieht sich auch weiter durch das Buch und gewinnt erst recht an Problematik, als klar wird, dass Layla bereits lange tot ist.
Mit der Beschreibung der Kriegsgräuel, die in Syrien und vielen anderen Konflikten weltweit täglich begangen werden, ist „All die Farben, die ich Dir versprach“ ein verstörendes Buch. Es ist wichtig, diese Tatsache nicht zu vergessen. Ob es allerdings mit diesem Buch gelingt, viele Menschen zu erreichen und zur Solidarität zu bewegen, mag dahingestellt bleiben.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von 6; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 26.11.2022

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