Zwischen uns tausend Bilder

Autor*in
Alaei, Neda
ISBN
978-3-522-20272-5
Übersetzer*in
Pluschkat, Stefan
Ori. Sprache
Norwegisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
221
Verlag
Thienemann
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Stuttgart/Wien
Jahr
2021
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
13,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nach dem Tod ihrer Mutter muss die vierzehnjährige Sanna ihren in Depressionen verfangenen Vater versorgen. Dass sie auch in der Schule Probleme haben wird, ist klar. Eine Lösung für beide ist am Ende sichtbar.

Beurteilungstext

"Das bin ich nicht". So lautet der Titel des Romans im Original. Und es stimmt. Die vierzehnjährige Sanna lebt seit dem Tod ihrer Mutter vor knapp einem Jahr ein komplett anderes Leben. Sie muss ihren Vater versorgen, der aus seinen Depressionen nicht mehr herausfindet, ab und zu am Schreibtisch sitzt und etwas schreibt, was keiner liest, sich nicht mehr um den Haushalt kümmern kann, viel schläft und immer mehr zum Kind wird. In der Schule verliert Sanna ihre beste Freundin an die "Schulschönheit" und Yousef, der neue Mitschüler, zeigt zwar Interesse für sie, ist aber auch mit den "Schönen" der Klasse unterwegs. So verkriecht sich Sanna immer mehr. Nur die wenigen Treffen mit Yousef, der ebenfalls wie sie Interesse am Fotografieren hat, genießt sie, kann aber damit keine Zukunft aufbauen. Die Katze der Nachbarn bringt etwas Freude in ihren Alltag, da sie sich streicheln lässt und da ist noch eine Lehrerin an der Schule, die ihr Hilfe anbietet. Aber noch ist sie nicht fähig, diese auch anzunehmen. Was sie und ihren Vater verbindet, ist die Liebe zur Musik der schwedischen Rockgruppe "Kent", deren Pop-Rock sie aufsaugt - vor allem das düstere Album "Du och jag döden". Ein Hoffnungsschimmer an ihrem dunklem Horizont ist, als Yousef mit ihr zusammen eine Einwegkamera kauft und sie beschließen, abwechselnd je ein Bild zu schießen. Denn mit der Kamera, die sie im Schrank findet und ein Geburtstagsgeschenk ihrer verstorbenen Mutter war, kann sie noch nicht fotografieren.
Ein absoluter Tiefpunkt ist erreicht, als ihr Vater zusammenbricht und in eine Klinik eingeliefert werden muss. Sie fürchtet das Jugendamt und vergräbt sich mit der Katze der Nachbarn in der Wohnung. Erst nach Tagen und nicht beantworteten Mails und anderen Nachrichten, öffnet sie sich wieder der Außenwelt.
Wer je ein Trauma dieser oder ähnlicher Art erlebt hat, weiß um die Abwärtsspirale von Sannas Vater. Und der weiß auch um die absolute Hilf- und Sprachlosigkeit von Sanna. Alle anderen Leser*innen bekommen eine tiefe Ahnung von diesen psychischen Schwierigkeiten, in denen beide stecken. Einfühlsam und vorsichtig, aber gleichzeitig schonungslos nimmt die Autorin die Leser*innen mit in diese düstere Welt. Man lebt mit der Protagonistin, sieht die sich scheinbar verengende Welt aus ihren Augen und spürt die Verzweiflung. Sparsam sind die Sätze. Auch die eventuelle, verirrte sexuelle Annäherung ihres Vaters an sie, als vermeintliche Ehefrau, bleibt in der Schwebe. Wie auch Sannas Reaktionen darauf. Kein Wort, kein Satz ist zu viel. Alleine die Andeutungen sprechen mehr als lange Absätze.
Trotzdem ist es kein hoffnungsloser Roman geworden. Spuren der Hilfe sind im Buch immer wieder gelegt. Die hilfsbereite Lehrerin, die nicht nur redet, sondern aktiv wird, Yousef, der mit Sanna die Welt der Bilder erforscht oder der Ersatz für die zerstörte Kamera. So gewinnt Sanna Lust am Fotografieren. Und Mutters Satz "Du darfst nie vergessen, die Schönheit der Welt zu sehen" wird für sie Realität. Sanna kann später Kleinigkeiten im Bild festhalten: Zigarettenkippen, Wasserpfützen, Mauerreste, ... alles Gegenstände, die Geschichten erzählen können, wenn sie entdeckt werden.
Das Bild einer trost- und hilflosen Jugendlichen weicht am Ende einer in die Zukunft schauenden Person. Der Autorin ist ein lange nachwirkender Roman gelungen, der tief erschüttert und trotzdem Trost bietet. So wie auch manche Songs der Gruppe "Kent".
Die Autorin ist in Moss/Norwegen geboren, lebt heute in Oslo und ist als Sozialarbeiterin tätig. Außerdem hat sie einen Schreibkurs des Norwegischen Kinderbuchinstituts absolviert. Der vorliegende Roman ist ihr erster.
Stefan Pluschkat hat einfühlsam und zart die Geschichte in die deutsche Sprache übertragen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WaMi; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 01.05.2021

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