Zwischen Hin und Her. Meine Flucht aus Syrien

Autor*in
Kadour, Malak
ISBN
978-3-946804-04-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Tägtmeyer, Rosa
Seitenanzahl
104
Verlag
Global Music Player Verlag
Gattung
BiografieTaschenbuch
Ort
Oldenburg
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
12,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Kann man ein Buch, geschrieben von einer Fünfzehnjährigen, deren Eltern im Vorwort verkünden, dass sie es niemals lesen werden, für Jugendliche empfehlen? Unbedingt.

Beurteilungstext

Vor Bomben, Zerstörung, Not und Tod musste Malak im Alter von acht Jahren von Syrien nach Deutschland fliehen. Was geschah und warum es geschah, hat sie zunächst nicht begriffen. Dass die nächtliche Fahrt im Auto, zusammen mit Eltern und den beiden jüngeren Brüdern, kein netter Familienausflug ist, von dem die Familie nie wieder zurückkehren wird, wissen nur die Eltern.

Es wird ein langer, beschwerlicher Weg, den Malak mit ihrer Familie zurücklegen muss. Die Lebensgefahr, in der die Flüchtenden schweben, können die Leser*innen besser realisieren als das Kind, das diese Situation schildert. Zwischen Angst, Erschöpfung, Unsicherheit und plötzlich aufflammender, kindlicher Lust am Spielen sind die Kinder hin- und hergerissen.

Nur mit Unwissenheit und einer gewissen Naivität können sie die seelischen und körperlichen Strapazen der langen Reise mit Autos, dem gefährlich kleinen Flüchtlingsboot oder zu Fuß durchstehen. Die Verunsicherung der Erwachsenen bleibt ihnen jedoch nicht verborgen. Malak erlebt, dass die Eltern sie nicht vollständig schützen können. Es gibt Situationen, wo sie allein auf sich gestellt ist. Situationen, die sie nicht bewältigen kann. Sie und ihre Familie kommen nach der entbehrungsreichen Reise durch viele Länder erschöpft in einer Stadt an, von der sie aufgenommen werden und ein neues Leben anfangen können.
Das ist für die Kinder nicht leicht. Die fremde Sprache und die fremden Gewohnheiten der sie umgebenden Menschen führen mitunter zu unangenehmen Situationen. Malak weiß sich zu behaupten und lernt schnell. Sie stößt immer wieder auch auf Menschen, die Hilfe und Freundschaft anbieten.

Malaks Erzählung ist nicht gewöhnlich im Hinblick auf das, was Leser*innen vielleicht erwarten. Ihre Perspektive ist die einer Fünfzehnjährigen, die sich in die Perspektive einer Achtjährigen versetzt. Ihre Sprache hat Anklänge an die deutsche Jugendsprache, wirkt aber manchmal etwas unbeholfen und fremd. Malak hat erstaunlich schnell Deutsch gelernt und konnte für ihre Geschichte ihre eigene Sprache finden. Sie entwickelt drastische Bilder und lebendig dargestellte Situationen auf eigenständige Weise. Formale Fehler (Zeichensetzung, Grammatik) bleiben im Text erhalten und unterstreichen dessen Authentizität.

Unterstützt wird der Text durch die sehr dezenten Illustrationen von Rosa Tägtmeyer. Weiche Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die nicht die für uns unvorstellbare Realität abbilden sollen, geben eine Vorstellung davon, was Malak gefühlt haben könnte. Die Zeichnungen wirken kindlich, entsprechend der kindlichen Perspektive der Erzählerin. So wird die Authentizität der Erzählung unterstrichen. Das kleine Mädchen Malak steht zwar im Mittelpunkt, sieht sich aber oft genug riesigen Gegenständen bzw. Menschen ausgesetzt. Die bedeutungsvollste Illustration ist jedoch eine ganze schwarze Seite. Das Unaussprechliche, das Malak ereilt, bleibt unerwähnt und ungezeigt. Und doch wissen wir aus Andeutungen, worum es geht. Die Schwärze von Malaks Gefühlen ist das, was bleibt.

Malak besteht darauf, dass die Leser*innen auch Verständnis für die Welt entwickeln, die sie verlassen musste. In den Info-Kästen „Learning to know“ erklärt sie Begriffe, die aus ihrer Kultur kommen, und für ihre Erzählung bedeutsam sind. Ihre Identität und kulturellen Hintergrund scheint sie nicht aufgeben zu wollen.

Am Ende ist Malak zwar nicht gewiss, ob sie glücklich werden kann in ihrem neuen Leben, dankt aber ihrer Familie, neuen Freund*innen und Lehrer*innen ihrer Schule, die sie zu diesem Bericht ermutigt haben. Sie hat den Jugendkulturpreis 2022 gewonnen. Ob dieser Preis und zahlreiche öffentliche Auftritte ihrer mutigen Tochter die Eltern ein wenig darüber hinwegtrösten, dass sie ihr Kind nicht genügend schützen konnten auf dem Weg in eine bessere Zukunft? Wie auch immer, sie und Malak wünschen sich viele Leser. Zu Recht.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Susanne Hoffmann; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 09.09.2023