Zwei Herzen im Goldfischglas

Autor*in
Partridge, Sally
ISBN
978-3-570-40331-0
Übersetzer*in
Beleites, Edith
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
318
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
8,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nathan ist anders als seine Mitschüler. Durch die Diagnose einer leichten Form des Asperger-Syndroms, studiert er das menschliche Miteinander exakt, um wenig unangenehm aufzufallen. Olivia hält ihn deshalb für einen Menschenkenner, sucht seine Hilfe, um in der Schul-High-Society endlich beliebt zu werden. Als Nathan ihr dabei hilft, ahnt er nicht, welche gravierenden Folgen Olivias Lebenswandel mit sich zieht. Doch weil er sich in Olivia verliebt, setzt er alles daran, sie zu retten.

Beurteilungstext

Im Mittelpunkt dieser Erzählung steht die intensive Freundschaftsentwicklung zwischen Nathan, dem autistischen Nerd, und Olivia, die unbedingt zum Kreis der beliebtesten Schülerinnen und Schüler gehören möchte. Weil es Nathan schwerfällt, die Emotionen anderer Menschen zu verstehen und nachzuspüren, hat er für sich ein eigenes System entwickelt, wie er Reaktionen, Handlungsformen und Ausdrucksweisen seiner Mitmenschen so analysiert, dass er sein Verhalten entsprechend darauf abstimmen kann. Eigentlich ist er eher introvertiert, beschäftigt sich mit seinem Computer oder entwickelt kleine Erfindungen. Während der Schulzeit ist er eher ein Einzelgänger. Seinen einzigen Freund, Mohendra, kennt er schon aus der Kindheit. Mohendra versteht Nathans fehlendes intuitives Verhalten. Er gleicht dies mit illustren Berichten aus seinem Umgang mit der Mädchenwelt aus und zieht Nathan immer wieder damit auf, wenn er seine Ironie nicht versteht. Mohendra ist Nathans „Schlüsselloch zur Welt“ (S. 21).

Als Olivia die direkte Nähe zu Nathan sucht, erfährt er allerdings mehr und mehr, dass auch er Gefühle zu ihr entwickelt, auch wenn er sie noch nicht konkret einordnen kann. Olivia hält Nathan nämlich für sehr begabt und allwissend und möchte, dass er ihr hilft, in dem angesagten Kreis der Schülerinnen und Schüler aufgenommen zu werden. Geschmeichelt durch Olivias Vertrauen gibt er ihr immer mehr Tipps, wie sie sich am besten anpasst. Also verändert Olivia ihren Kleidungsstil, ihre Frisur und ihr Freizeitverhalten. Schnell erlebt sie die ersten Erfolgserlebnisse und wird in die Clique rund um Virginia aufgenommen. Doch die „hippen“ Mädchen lassen sich nur ungern die Show stehlen und verwickeln Olivia nach und nach in schlimme Intrigen. Besonders auf den angesagten Partys trinkt Olivia durch den Gruppenzwang viel Alkohol. Mit zunehmendem Kotrollverlust küsst sie den beliebtesten Jungen und wird anschließend von ihren vermeintlichen neuen Freunden dafür belächelt. Aus Unsicherheit passt sie sich mit Nathans Hinweisen noch mehr an, distanziert sich aber in der Öffentlichkeit eindeutig von ihm.

Nathan durchschaut das aufgesetzte Spiel seiner Mitschüler schnell und leistet Olivia trotzdem in immer mehr Notsituationen Hilfe. Als die Machenschaften gegen Olivia eskalieren und sie aus Scham um ihren Ruf sogar versucht, sich das Leben zu nehmen, crackt Nathan die digitalen Anzeigetafeln im Schulgelände, um die Gerüchte aufzuklären und zu zeigen, welche Schülerin und welcher Schüler die wahren Drahtzieher der Mobbing-Attacken sind. Anlass dafür war Nathans Erkenntnis, dass er scheinbar doch mehr Gefühle hat, als er sich selbst eingestehen wollte – und zwar für Olivia: „Er musste beweisen, dass er ein ganz normaler Mensch war. Vor allem Olivia musste er es beweisen.“ (S. 293). Nathan rettet mit seinem Durchhaltevermögen Olivia und zeigt damit eindeutig, wie wichtig Freundschaft und wie unwichtig äußere Etiketten sind.

Sally Partridge beweist mit diesem einfühlsamen Roman über die Entstehung einer ungewöhnlichen Freundschaft, dass die scheinbare Andersartigkeit durch Autismus kein Grund für Ausgrenzung oder Einzelgängertum ist. Im Gegenteil – Nathan gleicht seine Defizite im menschlichen Umgang geschickt aus und zeigt damit, dass er durchaus kompatibel ist. Aus der personalen Sicht von Nathan erfahren die Leserinnen und Leser viel über Nathans Innensicht und lernen so seine Denkweisen immer besser kennen. Phasenweise wirken seine Überlegungen für einen Autisten allerdings zu reflektiert. Außerdem wird das Asperger-Syndrom an einigen Stellen sehr oberflächlich beschrieben. Zusammen mit den anschaulichen Dialogen lässt sich der Roman mit über 300 Seiten allerdings zügig lesen. Die Autorin stellt, gestalterisch vielleicht etwas trivial, dafür aber nachvollziehbar und taktvoll, die unterschiedlichen Facetten eines Außenseitertums dar. Indem sie aufzeigt, dass ungewöhnliche Freundschaften die eigenen Sichtweisen verändern können, appelliert sie sowohl für mehr Respekt als auch für mehr Toleranz.

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Veröffentlicht am 22.09.2016