Zorgamazoo

Autor*in
Westen, Robert Paul
ISBN
Übersetzer*in
Gutzschhahn, Uwe-Michael
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Viras, Victor
Seitenanzahl
288
Verlag
dtv
Gattung
Fantastik
Ort
München
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
8,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

‚Achtung: Schwungvolle Verse mit Sogwirkung. Krasse Nebenwirkungen bei Kindern mit lebendiger Fantasietätigkeit zu erwarten. Diesen ""Entzückerstoff"" von Kindern fernhalten, wenn ihr Kind weiter im ""Langweilerdampf"" verharren soll.' - so könnte die Packungsbeilage dieses Romans lauten. Denn: Ein mutiges Mädchen, ein bärenähnliches, gutmütiges Wesen und verschwundene Zauberwesen… das ist der Stoff, aus dem Fantasien gemacht sind. Und Zorgamazoo ist eine Hommage an die Fantasie und die Poesie!

Beurteilungstext

Nachdem der 2008 erstmals in englischer Sprache erschienene Roman von Robert Paul Westen 2012 in einer kongenialen Übersetzung von Uwe-Miachel Gutzschhahn auch in Deutschland erhältlich wurde (Verlagshaus Jacoby & Stuart), liegt nun endlich die Taschenbuchausgabe vor. Und das ist auch gut so, weil jetzt der Generika-Fantasiewirkstoff für alle zugänglich wird!

Und woraus besteht dieser Stoff? Da ist das kleine, aufgeweckte und neugierige Mädchen Katrina Katrell, das bei der verständnislosen Mrs Krabbon wohnen muss, weil seine Eltern sich nicht für Kinder, sondern nur für den schnöden Mammon interessieren. Und dass es ihr bei Mrs Krabbon gar nicht gut geht, ist zu erwarten. Beste Bedingungen dafür, im Tunnel der Metro ein seltsames Wesen zu entdecken. Es handelt sich um den sympathischen Zorgel Morty.

Mortimer Yorgel ist Sportreporter aus Zorgamazoo und das reicht ihm eigentlich auch vollkommen. Denn Herausforderungen liebt das gutmütige bärenähnliche Wesen mit Hörnern und Krallen nicht. Und ausgerechnet Morty, der selbsternannte Antiheld, ist zum Helden bestimmt worden. Er soll die verschwundenen Einwohner aus Zorgamazoo wiederfinden und zurückbringen.

Wie gut, dass er Katrina Katrell trifft. Denn sie liebt das Abenteuer, sie ist mutig und schlau und an ihrer Seite wächst auch Morty über sich hinaus. Das ist aber auch nötig, denn die letzten Zauberwesen der Welt sind entführt, weil Dullbert und die Seinen ""Langweiler-Gas"" zum Leben brauchen, weshalb alles Aufregende verschwinden muss. Keine Kleinigkeit, die Zauberwesen aus den Fängen der grauen Entführer zu befreien, für die das ""Entzückerstoff-Gas"" der Zauberwesen tödlich ist!

Und damit sind wir auch schon bei der Wirksamkeit, also einer erwünschte Wirkung angekommen, die man in Zorgamazoo mitlesen kann. Dass es nicht nur um kurzzeitige Befriedigung der Langeweile geht - also einer Symptomlinderung durch fantastisch-fantastisches Erzählen -, sondern um eine Ursachenbehebung - nämlich durch zivilisationskritische Reflexion, - darauf weist Robert Paul Westen selber in einem Interview hin. Er äußert die Beobachtung, dass die Welt immer seriöser und die Nachrichten immer ernster werden. Sein Eindruck ist, dass kaum noch Platz für Fantasie in der Welt sei. Und warum das so ist: Tja, darüber kann auch Robert Paul Westen nur spekulieren. Eine sehr plausible Antwort auf diese zeitkritische Frage liefert er in seinem Roman Zorgamazoo: Die Fantasiewesen verschwinden aus unseren Köpfen, weil wir ihnen keinen Platz mehr geben. Wer den Entzückerstoff genommen hat, der spürt zwischen den Zeilen die Warnung vor der grauen Eintönigkeit, die langsam unsere Einbildungs- und Vorstellungskraft auffrisst.

Probieren wir mal einen Tropfen dieser kostbaren Arznei:

Liebkosend strich er über den Stahl.
""Ich verehre das Teil! Es ist phänomenal!
Es gibt nichts Bessres für den Zweck
als das Schädel punktierende Hackwolf-Besteck!
Und wenn sie erlauben, demonstriere ich gern,
wie der Hackwolf vordringt zum innersten Kern!""

Da spricht der ""Schädelchirurg"" im Moment des Angriffs auf die lebendige Fantasietätigkeit des Kindes. Eine bizarre Gruselszene, die aber mit Augenzwinkern vorgetragen wird.

Aber der kleine Tropfen hat außerdem die zweite Ingredienz herausgestellt. Bei diesem außergewöhnlichen Roman handelt es sich um ein fantastisches Langgedicht. Versromane irritieren erst einmal unsere Romanvorstellungen. Aber genau darum geht es ja - der Eintönigkeit etwas Ungewöhnliches und Überraschendes entgegenzusetzen. Und Eintönigkeit kommt in dieser gebundenen Rede, die ohne Übergänge zwischen Hochsprache und derber oder komischer Umgangssprache wechselt, an keiner Stelle auf - denn die Kantabilität Robert Paul Westens Sprache ist Dank der grandiosen Nachdichtung von Uwe-Michael Gutzschhahn intensiv zu erfahren. Die Versform erschafft einen bezwingenden Rhythmus und ein ""dunkel glitzernde Ästhetik"", wie es in der Nominierung der Hörbuchfassung zum Deutschen Hörbuchpreis 2013 heißt.

Der poetische Reichtum der Sprache wird wirksamkeitsfördernd unterstützt von einer treffsicheren graphischen Gestaltung. Das Schriftbild unterstützt die Inhaltsebene aufs Wundervollste: Tanzende Buchstaben und Sätze in allen Größen, Formen und Bewegungen erinnern an visuelle Poesie.

Fantasie und Poesie schmieden in diesem Buch eine wirksame Allianz gegen die Langeweile, gegen das Verdrängen und Vergessen unserer eigenen Vorstellungskraft und erzählen dabei außerdem die rührende Geschichte einer wundervollen Freundschaft.

Dieser Entzückerstoff ist von jedem zwischen 10 und 13 Jahren einzunehmen, der sich nicht vorstellen will, was die Welt ohne Trolle, Monster, Drachen, Riesen, Meerjungfrauen, Zwergen, Königinnen und Elfen wäre…! Aber auch für Ältere, die das Gefühl haben, nur noch an langweilerdampfbetriebenen Aktenlochern oder Rechenmaschinen zu sitzen, sollten vor der Einnahme nicht zurückschrecken.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von jhe.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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